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1. Oktober 2021
Jörg Viola | ObjectCode

Wahrscheinlich jeder und jedem (Online-)Kund:in sind sie schon einmal begegnet: Produktkonfiguratoren, die bei der Individualisierung und passenden Zusammenstellung eines Produktes aus mehreren Komponenten helfen. Ob Autos, Möbel, Kleidung – den Branchen sind keine Grenzen gesetzt. Unser ECC CLUB Mitglied ObjectCode ist Spezialist für das Thema und so haben wir Jörg Viola, Geschäftsführer von ObjectCode, zum Interview eingeladen.

Individualisierung und Personalisierung gelten derzeit als Megatrends. Warum wird das Thema in Zukunft noch mehr an Relevanz gewinnen?

Das ist wirklich so!

Spreadshirt macht 170 Millionen Euro Umsatz mit individuell gestalteten T-Shirts. Autos sind so individuell geworden, dass Neuwagen am besten über Konfiguratoren gekauft werden und die Hersteller darin auch Produktneuigkeiten zuerst promoten. Und in der Möbelindustrie wird der Marktanteil an Maßmöbeln immer größer (statt kleiner, wie man wegen der Verdrängung der Möbeltischler durch die Möbelhäuser vermuten könnte).

Quer durch viele Branchen wird Individualisierung immer wichtiger. Dafür gibt es nach unserer Beobachtung drei Gründe:

  • Menschen möchten ihre Individualität zum Ausdruck bringen. Kleidung, Einrichtung und PKW sollen den persönlichen Stil unterstützen und sagen: Das bin ich. Und vielleicht auch: Das kann ich mir leisten.
  • Individualisierung ist ein Qualitätsmerkmal: Anbieter können höhere Preise verlangen. Und sind nebenbei oft auch von der Rücknahmepflicht befreit.
  • Und schließlich: Es geht. Die sogenannte Stückzahl-Eins-Fertigung ist heute so weit fortgeschritten, dass die Produktion und Logistik von Maßprodukten fast so effizient funktioniert wie für Lagerware.

Solange die Verbraucher:innen Wert auf gute und persönliche Produkte legen können, weil alle Grundbedürfnisse gestillt sind, wird Individualisierung und Personalisierung aus genau diesen Gründen immer wichtiger werden.

Die von dir angesprochenen Produktkonfiguratoren bieten dabei aber nicht nur Vorteile für Kund:innen, indem sie individualisierte Produkte erleb- und vorstellbarer machen, sondern auch für Unternehmen. Welche Vorteile sind das?

Der wesentliche Vorteil ist natürlich: Nur mit einem Konfigurator kann ein individualisiertes Produkt online verkauft werden. Ansonsten bliebe nur, das Produkt mit einem einfachen Produktbild im Onlineshop darzustellen und in einer langen Produktbeschreibung die wählbaren Produkteigenschaften (Farbe, Material, Oberfläche) zu erklären. Wären die Kund:innen dann bereit, dieses Produkt zu kaufen, müssten sie sich mit dem Vertrieb in Verbindung setzen, natürlich zu den Geschäftszeiten: Beginn einer langen Kommunikationskette, bei der die Kaufmotivation auf der Strecke bleibt.  Das geht heutzutage nicht mehr – auch bei komplexen Produkten möchten die Kund:innen genauso einfach einkaufen wie bei Amazon. Und effizient und fehlerfrei ist das ja auch nicht gerade.

Wir erleben aber in unseren Projekten noch eine Reihe weiterer Vorteile: So zwingt die Pflege des Konfigurators den Hersteller noch einmal, über die Struktur seines Angebotes nachzudenken. Sind wirklich alle Optionen sinnvoll? Kauft das überhaupt jemand? Und wie gruppiere ich meine Produkte überhaupt so, dass sie verständlich werden?

Das Wissen über das Produkt wird dabei ganz explizit und in einer Datenbank abgelegt. Damit steht es – außer den Kund:innen - jedem im Unternehmen zur Verfügung. Der Konfigurator wird, was die Produktstruktur angeht, zur „single source of truth“. Insbesondere auch, was Baubarkeitsregeln betrifft. Dass ein hoher Kleiderschrank niemals mit einem durchgehenden Deckel gebaut wird, weiß jetzt nicht mehr nur der Konstrukteur, der seit 20 Jahren in der Firma ist, sondern automatisch auch die gerade eingestellte Verkaufskraft. Damit wird der Verkauf fehlerfreier und die Außendarstellung kongruenter.

Außerdem ist der Konfigurator einer der Eckpfeiler einer modernen Digitalisierungsstrategie. Denn die wesentlichen Prozesse in einem Unternehmen, das individuelle Produkte anbietet, profitiert enorm von einer einheitlichen Datenbasis. Das Ziel ist heute, dass ein Verkauf von der Bedienung des Konfigurators durch die Kund:innen bis zur Produktion auf der CNC- (Computerized Numerical Control) oder Druckmaschine ohne manuellen Eingriff erfolgen kann.

Mittlerweile werden Konfiguratoren auch im B2B-Bereich immer häufiger eingesetzt. Welche Unterschiede gilt es zwischen B2C und B2B sowie zwischen verschiedenen Branchen zu beachten?

Was B2B und B2C angeht, gibt es weniger Unterschiede, als man auf den ersten Blick denkt. Man ist ja versucht, anzunehmen, dass B2B-Kund:innen die Produkte, die sie kaufen, schon ziemlich genau kennen und daher nicht so viel Unterstützung benötigen. Oft sehen wir aber das Gegenteil. Die verkauften Produkte haben eine erhebliche Komplexität. Egal, ob es dabei um ein kompliziertes Getriebe oder „nur“ eine Holzplatte geht. Die Käufer:innen hätten sich früher stundenlang mit Vertriebsmitarbeiter:innen unterhalten, um zu begreifen, welches die passende Variante für sie ist. (Das ist übrigens noch ein Vorteil für die Verkäufer:innen: Der Vertrieb erhält erheblich passendere Anfragen von erheblich informierteren Kund:innen.) Also benötigen die Kund:innen auch im B2B-Fall eine verständliche, motivierende und hochwertige Führung zur korrekten Variante.

Es hilft allerdings, wenn die „User Experience“, also die Benutzerführung, für den B2B-Fall effizienter gestaltet wird. Mehrere ähnlich konfigurierte Produkte schnell nacheinander bestellen, Bestellmengen angeben und dabei zum Beispiel auch mal schnell die Tastatur benutzen können statt vieler Mausklicks, kann die Kund:innen hier enorm weiterbringen.

Zwischen verschiedenen Branchen bzw. konfigurierten Produkten gibt es natürlich schon erhebliche Unterschiede. Manche lassen sich schrittweise konfigurieren im üblichen Sinn, andere, beispielsweise Küchen, Außenanlagen oder auch Schränke, benötigen eher „Planer“, in denen die Interessent:innen auch ein wenig ihre Kreativität ausleben können.

Manche Produkte sind so kompliziert, dass der Konfigurator dazu dient, eine qualifizierte Anfrage zu stellen. Bei anderen ist eine verbindliche Bepreisung möglich, sodass ein CPQ-Konfigurator (Configure, Price, Quote) ein echtes Angebot machen kann. Am häufigsten ist es jedoch so, dass die Konfiguration direkt an einen Onlineshop (bei B2B oft auch direkt ins Warenwirtschaftssystem) übergeben und dann bestellt und bezahlt wird.

Nach unserer Erfahrung gibt es also eine Reihe wichtiger Entscheidungen, die auf dem Weg zum besten Konfigurator zu treffen sind. Aber nach einer Vielzahl von Projekten wissen wir mittlerweile, wo es lang geht. ;-)

Auch Hersteller setzen auf Konfiguratoren, insbesondere wenn es um den Direktvertrieb an Kund:innen geht. Wie können Konfiguratoren die Vertriebsform Direct-to-Consumer (D2C) unterstützen?

D2C ist natürlich ein heißes und auch heiß diskutiertes Thema, oft ja auch ein politisches. Was sagt das Händlernetzwerk dazu, wenn ein Hersteller plötzlich den direkten Weg zur Kundschaft sucht? Das war schon Anfang der 2000er Jahre die Frage, als die Reiseveranstalter an den Reisebüros vorbei im Netz Urlaube verkaufen wollten. Wir wissen alle, wohin das geführt hat.

Wir erleben aber auch heute noch, dass zum Beispiel Möbelhersteller extra eine komplette Eigenmarke mit neuen Produkten aufbauen und dann doch aus Furcht vor den Händlern einen Rückzieher machen. Ich persönlich kann beide Seiten gut verstehen. Es ist doch einfach so, dass die Onlinewelt neue Möglichkeiten eröffnet. Wir plädieren dafür, diese Möglichkeiten kooperativ zu nutzen.

Im Fall von Konfiguratoren kann das zum Beispiel heißen, dass der Hersteller den Konfigurator aufbaut und auf dem aktuellen Produktstand hält, einfach weil ihm das wesentlich leichter fällt. Er kann den Händlern den Konfigurator überlassen und davon profitieren, dass seine Produkte wesentlich informierter und damit besser verkauft werden und die Prozesse deutlich effektiver werden. Und als Gegenleistung kann er die Händlerprovisionen geringer gestalten, da der Aufwand der Händler sinkt.

Ist nichts zu machen und es soll wirklich D2C werden, so – das muss man deutlich sagen – ist mit einem Konfigurator allein gar nichts gewonnen. Denn was dem Hersteller natürlich fehlt, ist der Zugang zur Kundschaft. Und den muss er nun aufbauen. Wir halten es für ein Gerücht, dass das online wesentlich leichter sein soll als in der Offlinewelt. Hier wird eine ganzheitliche Strategie für das Onlinemarketing benötigt und da kann der Konfigurator tatsächlich auf drei Weisen unterstützen:

  • Er liefert durch die vielen Produktvarianten, die er erzeugen kann, eine Menge sinnvollen long-tail-Content für SEO, macht das Produkt also bei Google sichtbarer.
  • Er kann als Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Marktbegleitern genutzt und vermarktet werden
  • und er erleichtert das Plattform-Marketing, etwa, wenn er mit einer Amazon-Schnittstelle ausgestattet wird und Varianten automatisch auf die Plattform stellt.

Dafür ist es natürlich wichtig, dass ein erfahrener Konfiguratorhersteller mit einem 360°-Rundblick beim Aufbau des Konfigurators hilft. ;-)

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