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7. März 2023

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels überlegen immer mehr Unternehmen wie sie Talente finden und vor allem auch halten können. Warum Vertrauen ins Team sich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt und wie er "Führung" definiert, verrät uns Christopher Kaiser, Gründer unseres ECC CLUB Mitglieds kleerly, im Interview.

Welche Aspekte für die Zusammenarbeit waren dir bei der Gründung deines Unternehmens besonders wichtig und warum? 

Mein Ziel war, ein Unternehmen mit motivierten, gut ausgebildeten Mitarbeiter:*innen und zufriedenen Kund:innen zu schaffen. Wirtschaftlicher Erfolg ist wichtig, aber nicht das Wichtigste. Wir sind zufrieden, wenn wir am Ende des Jahres einen kleinen Gewinn machen, um einen Puffer zu bilden. 

Daher sind meiner Meinung nach die folgenden Grundsätze für die Zusammenarbeit wichtig: 

  • Das Kapital des Unternehmens liegt in den Mitarbeiter:innen ⇒ Mitarbeiterzentrierung: Bedürfnisse der Mitarbeiter:*innen beachten und Interessen von Mitarbeiter:innen und Unternehmen abwägen. 
  • Feste Teams, die Verantwortung übernehmen können. 
  • Fehler zulassen, um Lernen und Verantwortungsübernahme zu fördern. 
  • Hohe Transparenz nach Innen schaffen. 
  • Hohe Transparenz nach Außen leben. Kund:innen nicht unterschätzen und Probleme gemeinsam zielorientiert lösen. 
  • Vertrauen in jeden Mitarbeiter:in setzen. 

Da ich selbst erlebt habe, was bei vielen anderen Dienstleistern da falsch läuft (z.B. Überlastung von Mitarbeiter:innen, Pitch-Teams, die man nie wieder sieht anstelle von festen Projektteams, keine aktive Personalentwicklung, mangelndes Vertrauen in unternehmerisches Denken bei operativen Mitarbeiter:innen) war dann schnell die Entscheidung für die Gründung gefällt. 

Was bedeutet für dich „Führung“ und was ist hier für deine Mitarbeiter:innen von Bedeutung?

Führung bedeutet für mich "Servant Leadership". Ich schaffe eine Umgebung, in der jeder sein Potenzial ausschöpfen kann. Das ist vorteilhaft für alle: Wenn Mitarbeiter:innen in Kundenprojekten brillieren, profitieren der Kunde und unser Unternehmen. Der Erfolg motiviert wiederum die Mitarbeiter:innen. Die Führungsebene vertraut den Mitarbeiter:innen, im Sinne des Unternehmens zu handeln, und stellt ihnen alle notwendigen Informationen zur Verfügung. Nur durch Transparenz können wir unsere Mitarbeiter:innen in die Lage versetzen, Situationen umfassend einschätzen zu können und so bessere Entscheidungen im Sinne unserer Vision und Strategie zu treffen. 

Als "Servant Leader" lebe ich diese Dinge vor. Themen wie Work-Life-Balance (alle, einschließlich der Geschäftsführung, sind bei uns in Teilzeit angestellt) und das Recht, bei Krankheit zu Hause zu bleiben (statt sich durch den Tag zu quälen), sind mir wichtig. Gleichzeitig zeige ich Einsatz, soweit es möglich ist, und kommuniziere klare Grenzen. 

Wir übernehmen als Leader Verantwortung für die Entwicklung und das Wohlergehen der Mitarbeiter:innen. Und diese übernehmen die Verantwortung für das Wohlergehen der Firma. 

Volle Transparenz und Vertrauen im Arbeitsalltag bergen auch Risiken. Hast du Befürchtungen, dass die Benefits ausgenutzt werden und falls ja, wie würdest du damit umgehen?

Befürchtungen sind für mich das falsche Wort. Es kann jedoch in Situationen der Eindruck entstehen, dass Mitarbeiter:innen oder Kund:innen bestimmte Benefits ausnutzen. Ein Beispiel hierfür ist unser unbegrenzter Urlaub. Natürlich gibt es Mitarbeiter:innen, die mehr Urlaub nehmen als andere. Aber das kann auch an persönlichen Umständen der Einzelpersonen liegen. Wenn dadurch im Team bessere Leistung erbracht wird, statt dass sich eine Person wochenlang überarbeitet, um Arbeit, Kita-Eingewöhnung und Umzug parallel zu bewältigen und dadurch die Gesamtleistung des Teams beeinträchtigt, lohnt sich der Invest schnell - von der Planbarkeit bis hin zur effektiven Arbeitsleistung. Ich glaube, dass der Nutzen für  alle größer ist als der negativen Einfluss von wenigen Ausnahmen. 

Natürlich ergreifen wir auch Vorkehrungen, z.B. im Arbeitsvertrag oder in der Probezeit, um im Einzelfall handeln zu können. Umgekehrt ist jedoch jedes Teammitglied im Einstellungsprozess beteiligt und trägt die Verantwortung für Fehlentscheidungen sowie die Verpflichtung mit diesen umzugehen. 

Als Leader agieren wir hier beratend: Welche Handlungsmöglichkeiten sieht das Team? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die Person zu entwickeln oder sogar den Schaden einzudämmen? Auf diese Weise lernt das Team auch aus "falschen" Entscheidungen für die Zukunft. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Probleme innerhalb des Teams angesprochen und gelöst werden sollten. Offene Kommunikation, Transparenz und Vertrauen ins Team sind hierbei das A und O. Auch wenn es immer wieder Menschen geben wird, die versuchen werden das System auszutricksen oder auszunutzen, glauben wir an die Selbstregulierung des Systems durch Vertrauen in das Unternehmen und seine Menschen. 

Welche Vorteile siehst du in dieser Mitarbeiterzentrierung bezüglich des Unternehmenserfolgs?

Aus meiner Sicht ist Unternehmenserfolg sehr vielschichtig, auch wenn ich hier nicht zu sehr auf das Thema "Alternative KPIs" eingehen möchte (was ich sehr spannend finde!). Grundsätzlich gibt es für mich drei Bereiche: 

  • Mitarbeiter:innen 
  • Kund:innen 
  • Unternehmen 

Diese Bereiche sind meiner Ansicht nach keine parallelen Säulen, sondern bauen (zumindest in unserer Branche) aufeinander auf: Zufriedene und motivierte Mitarbeiter:innen sorgen für zufriedene und erfolgreiche Kund:innen, was wiederum den Unternehmenserfolg bedingt. Wenn ich mich nur auf die Kund:innen oder das eigene Unternehmen konzentriere, verliere ich meine Basis. 

Hier stehen wir jedoch vor mehreren Herausforderungen: Die erste Herausforderung besteht darin, Mitarbeiter:innen in der IT und Softwareentwicklung zu finden (und zu halten!). Die zweite Herausforderung besteht darin, dass wir es mit den Generationen der Millennials und Generation Z zu tun haben, die das Fundament der Entwicklung bilden und zunehmend "purpose-driven" handeln. Und das gilt auch für mich: Ich möchte ein nachhaltiges Unternehmen schaffen, das mindestens in Teilbereichen einen gesellschaftlichen Mehrwert generiert. Das muss nicht unbedingt nur ökologisch sein, sondern betrifft auch die sozialen und unternehmerischen Bereiche. Ein nachhaltiges Unternehmen ist ein Unternehmen, das sowohl für seine Mitarbeiter:innen als auch für seine Kund:innen einen Mehrwert generiert, ohne diese auszubeuten. 

Insbesondere mit der Generation Z haben wir es mit Menschen zu tun, die hohe Ansprüche an ihren Arbeitgeber haben - und das in dem aktuell starken “Bewerbermarkt”. Wenn es uns gelingt, hier als Unternehmen eine Vorzeigerolle zu übernehmen, können wir hochmotivierte und kompetente Mitarbeiter:*innen langfristig an unser Unternehmen binden. 

Wenn es uns gelingt, Perspektiven für jeden Einzelnen zu schaffen - abseits der klassischen Karrierepfade -, entwickeln wir kompetente Teams, die unseren Kund:innen zum Erfolg verhelfen. Kurzfristig mag es vielleicht nicht sinnvoll erscheinen, die Mitarbeiter:innen nur zu 80% auszulasten. Aber allein das Recruiting und Neu-Anlernen verursacht so hohe Kosten, dass sich die Investition normalerweise schon innerhalb von Monaten und nicht Jahren auszahlt. 

Zusammenfassend: Nur wenn wir die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen, insbesondere der Generationen Y und Z, befriedigen können, können wir mit unseren Teams den Kund:innen zum Erfolg verhelfen und uns als Unternehmen zukunftssicher aufstellen. Auch wenn dies kurzfristig nicht gewinnmaximierend ist (aber immer gewinnorientiert!), ist dieser Ansatz mittelfristig wirtschaftlicher und damit nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell nachhaltiger. 

In bereits etablierten Unternehmen gibt es häufig historisch gewachsene Prozesse, deren Änderung herausfordernd ist. Wie kann eine Änderung Richtung New Work in bestehenden Unternehmen gelingen? 

Eine vollständige Neuausrichtung durch ein "Change"-Projekt ist meiner Meinung nach nicht möglich. Hier spielen Aspekte wie Unternehmenskulturen (und Subkulturen), Mitarbeiterstamm, aber auch das Kunden- bzw. Projektportfolio eine große Rolle. Daher wurde kleerly gegründet. Wenn jedoch bestimmte Teilaspekte eingebaut werden oder Räume geschaffen werden, können Grundsteine gelegt werden, um langfristige Veränderungen anzustoßen und auch kurzfristig Erfolge zu erzielen. 

Der einfachste Weg ist eine Auslastung von 80 %. Meine Erfahrung zeigt, dass selbstbestimmte Freiräume sich schnell rentieren, da sich die Menschen meist mit Problemen aus ihrem Firmenalltag beschäftigen und Lösungen suchen. Dies kann zur persönlichen Weiterentwicklung in einer Technologie führen, die dann wiederum beim Kunden zum Einsatz kommt oder sogar in einer kleinen Produktentwicklung enden kann. Wichtig ist hierbei das "Führen" - nicht im Sinne von Vorgeben, was gemacht wird, sondern im Sinne des Sparrings, Beratens und Gebens von Leitplanken. 

Soziokratische Ansätze können helfen: Eine gute Lösung, auf die sich alle einigen können, ist besser als die beste Lösung, die von einigen abgelehnt wird. Denn Erfolg im Unternehmen ist Teamerfolg, keine Einzelleistung. 

Quickwin: Mehr Eigenverantwortung. Beispiel: "Wenn du glaubst, dass du einen teuren Stuhl brauchst, um produktiver zu sein, bestell ihn dir". Ergebnis: "Ein mittelteurer Stuhl tut's auch". Keine Ablehnung nötig. 

Und ein letzter Tipp: Sich als Unternehmen nicht immer so ernst nehmen. Wir sind alle Menschen :)

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