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24. August 2023

Seit 2. Juli 2023 gilt das Hinweisgeberschutzgesetz als verspätete Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie. Mit dem Gesetz wird der Schutz von Hinweisgebern und anderen Personen in dem Zusammenhang eingeführt. Bestimmte Beschäftigungsgeber ab über 49 Beschäftigten müssen hierfür eine interne Meldestelle schaffen. Ab Dezember 2023 drohen Bußgelder. ECC Clubmitglied Rechtsanwalt Rolf Becker erläutert die neuen Inhalte.

Hinweisgeberschutz

Mit dem Gesetz sollen sog. hinweisgebende Personen geschützt werden. Der Kreis ist in § 1 HinSchG weit gesteckt.

“Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.”

Geschützt werden also nicht nur aktuelle Beschäftigte, sondern auch Personen, die sich in der Bewerbungsphase befinden. Ausweislich der Regelung in Art. 3 Abs. 2 RL (EU) 2019/1937 gilt der Schutz auch für Personen, die Verstöße melden oder offenlegen, von denen sie in einem inzwischen beendeten Beschäftigungsverhältnis erfahren haben. Dabei geht es auch um Missstände in anderen Unternehmen, nicht nur dem eigenen.

Welche Meldungen sind geschützt?

Auch der sachliche Anwendungsbereich ist in § 2 HinSchG weit gefasst. Generell geht es um alle Verstöße, für die es Strafgesetze gibt oder die mit Bußgeldern bewehrt sind, z.B. Arbeits- und Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Datenschutz, Produktsicherheit, Bestechung und Bestechlichkeit sind ebenso relevante Stichworte, wie wettbewerbsbeschränkende Vorgaben oder Absprachen sowie betrügerische Aktionen zu Lasten des eigenen oder fremder Unternehmen.

Damit droht künftig bei einer falschen Widerrufsbelehrung nicht nur eine Abmahnung, sondern auch eine Untersuchung in der inneren Organisation des Unternehmens, eventuell mit Weitermeldungen an Behörden.

Einrichtung interner Meldestellen

Nach § 12 HinSchG sind Unternehmen zur Einrichtung von Meldestellen verpflichtet, bei denen mindestens 50 Beschäftigte tätig sind. Zu den Beschäftigten zählen sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Ebenso zählen Personen, die wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, zur Gruppe der Beschäftigten. Das können etwa Leiharbeiter oder auch, je nach Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen, Handelsvertreter sein.

Unternehmen, bei denen 50 bis 249 Beschäftigte tätig sind, müssen diese Meldestellen erst ab dem 17. Dezember 2023 einrichten. Unternehmen ab 250 Beschäftigten sind seit dem 02.07.2023 verpflichtet. Diese Meldestellen müssen die Meldekanäle betreiben, führen nach einer Meldung definierte Verfahren durch und ergreifen ebenfalls im Gesetz definierte Folgemaßnahmen.

Finanzdienstleister und ähnliche Branchen unterfallen den Regelungen ohne solche Grenzen.

Wer kann interne Meldestelle sein?

Interne Meldestelle kann auch ein Beschäftigter sein. Dieser Beschäftigte ist im Übrigen nicht besonders geschützt, wie es etwa im Kündigungsschutz der interne Datenschutzbeauftragte ist. Es dürfen auch Führungskräfte sein oder eine Person, die ohnehin mit der Einhaltung der Compliance beauftragt ist oder auch ein betrieblicher Arbeitnehmervertreter und sie dürfen weiter ihrer sonstigen Tätigkeit nachgehen. Dabei ist aber sicherzustellen, „dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen.“ Die Personen sind dann unabhängig tätig. Sie müssen zur Erlangung der Fachkunde geschult werden, wenn sie diese Fachkunde noch nicht haben. Damit kann zwar auch Leitungspersonal (Compliance-Officer) eingesetzt werden, aber ein Geschäftsführer oder Datenschutzbeauftragter scheint mir eher ungeeignet, auch wenn in den Erwägungsgründen von einem Vorstand die Rede ist.

Art der Meldekanäle

Die Regelung des § 16 HinSchG gibt Auskunft über die Art der Meldekanäle, die etwa auch Lieferanten offenstehen müssen. Auch anonyme Meldungen müssen bearbeitet werden. Allerdings müssen die Kanäle nicht zwingend eine anonyme Meldung ermöglichen (Abs. 1). Dafür besteht aber eine strenge Pflicht zur Abschirmung gegenüber dem Zugriff von nicht befugten Personen (Abs. 2).Dies betrifft dann auch die eigene IT, deren Mitarbeiter von einem Zugriff abgeschirmt werden müssen. Hierfür gibt es bereits Online-Softwarelösungen von Dienstleistern.

Die Art der Meldekanäle wird in § 16 Abs. 3 geregelt. Mündliche Meldungen können im Rahmen eines Telefonkontakts und/oder Anrufbeantwortersystems erfolgen. Die im Gesetz aufgeführte Textform umfasst vor allem E-Mails oder Faxkanäle. Auf Wunsch der hinweisgebenden Person müssen auch persönliche Zusammenkünfte erfolgen können.

Streng vertrauliche Behandlung von Hinweisen

Die oben erwähnte Pflicht zur Abschirmung ist auch Ausfluss des Vertraulichkeitsgebots nach § 8 HinSchG. Die Meldestellen sind gesetzlich verpflichtet die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person zu wahren. Auch die Identitäten der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind sowie der sonstigen in der Meldung erwähnten Personen sind vertraulich zu behandeln. Das ganze Meldesystem muss also so ausgelegt werden, dass die geschützten Identitäten nur der Person und ggf. unterstützenden Personen bekannt werden können, welche die Meldestelle betreiben. Nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen darf deren Identität auch Dritten offenbart werden.

Verfahren bei internen Meldungen

In § 17 HinSchG wird das Verfahren bei internen Meldungen geregelt. Meldungen sind von der internen Meldestelle spätestens nach 7 Tagen zu bestätigen. Es folgt eine Prüfung des sachlichen Anwendungsbereichs und der Stichhaltigkeit der Meldung. Ist ein Kontakt möglich, ist dieser zu halten und ggf. für ergänzende Informationsbeschaffungen zu nutzen. Zudem ist dem Whistleblower eine Rückmeldung zu geben.

„Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Eine Rückmeldung an die hinweisgebende Person darf nur insoweit erfolgen, als dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder die in der Meldung genannt werden, nicht beeinträchtigt werden.“

Folgemaßnahmen

  • 18 HinSchG regelt die Folgemaßnahmen, die im Wesentlichen aus internen Untersuchungen Weiterleitungen an andere zuständige Personen und der Abgabe des Verfahrens an zuständige Behörden oder interne Organisationseinheiten für interne Ermittlungen zur weiteren Untersuchung bestehen. Vorgesehen ist auch die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen.

Die für die Meldestelle zuständige Person muss nach § 11 HinSchG alle eingehenden Meldungen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebotes dokumentieren.

Fazit

Es kommt einiges auf die Unternehmen zu, denn der sachliche Anwendungsbereich der Meldungen ist weit und umfasst alltägliche Verstöße. Dabei sollten Unternehmen interne Meldungen besser fördern, damit weiterhin mögliche externe Meldungen unterbleiben. Hierzu sind klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitzuhalten. Zudem sollte man die Geheimhaltungsklauseln in den Arbeitsverträgen prüfen, ob sie dem neuen Gesetz entgegenstehen und auch die notwendigen datenschutzrechtlichen Dokumentationen (Folgeabschätzung, Verfahrensverzeichnis) ergänzen. Natürlich droht auch Missbrauch vor allem durch anonyme bewusste Falschmeldungen. Hier entfällt allerdings jeder Schutz für solche Hinweisgeber. Sorgfalt und Umsicht gesteuert durch ein umfassendes Case-Management sind angezeigt.

ÜBER DEN AUTOR

Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER in Köln und Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC CLUB kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Online-Handel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen. 

RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker   

Er ist auch Autor auf den Informationsdiensten www.versandhandelsrecht.de.

PRESSEHINWEISE

Gerne dürfen Sie den Text von Herrn Becker redaktionell weiterverwenden. Bitte geben Sie hierbei die URL zum Rechtstipp sowie folgende Quelle an: RA Rolf Becker WIENKE & BECKER / ECC Rechtstipp. Bitte senden Sie ein Belegexemplar bzw. den Link zur Veröffentlichung an presse(at)ifhkoeln.de. Vielen Dank!

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