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25. November 2020
Jens Rilling Netformic

Die Coronapandemie treibt nicht nur Endkund*innen weiter in den E-Commerce. Auch im B2B-Bereich tut sich einiges und digitale Lösungen verdrängen zunehmend den klassischen Außendienst. Wir haben mit Jens Rilling, COO & Geschäftsführer unseres ECC CLUB Mitglieds NETFORMIC, über B2B E-Commerce-Plattformen gesprochen und wie diese als Self-Service-Portale die Customer Centricity unterstützen.

Die B2B-Branche lebt auch heute noch zu großen Teilen von persönlichen Verkaufsgesprächen und Außendienst, aber auch hier wird E-Commerce immer gängiger. Welche Punkte gibt es zwischen B2C und B2B E-Commerce zu beachten? Was ist gleich und was lässt sich nicht so einfach vom Einen auf das Andere übertragen?

Für Einsteiger im Bereich B2B-Commerce scheint es auf den ersten Blick nur wenige Unterschiede zum B2C-Bereich zu geben. Gemein ist beiden, Produkte über das Internet zu verkaufen. Was im privaten Bereich funktioniert, führt auch zu einer vermehrten Akzeptanz im beruflichen Umfeld. Fast Jeder hat bereits einmal bei Otto, Zalando oder Amazon bestellt. Und insbesondere durch letzteren hat sich bei B2C-Onlinekäufer*innen eine sehr hohe Erwartungshaltung in Bezug auf die Usability, die Kunden- und Serviceorientierung sowie die Qualität der präsentierten Produktdaten aufgebaut. Allerdings hören hier die Gemeinsamkeiten auch schon auf. 

Grundlegende Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Plattformen ergeben sich schon in der angesprochenen Zielgruppe. Während B2C-Händler auf die Breite des Marktes abzielen, richten sich E-Commerce-Plattformen im B2B meistens an viel kleinere Kundengruppen. Klar, ein Händler, der das Produktsegment Schienenführungen für Maschinen oder Spezialkugellager als Maschinenersatzteile verkauft, hat eine viel spezifischere Kundenansprache als ein Schuhhändler, der Sportschuhe für Herren, Damen und Kinder verkauft.

Der nächste Unterschied: Artikel, die im B2B-Bereich vertrieben werden, sind zumeist viel komplexer in Bezug auf ihre Produktdaten. Während ein Schuh über Farbe, Größe und ggf. Schuhweite als Attribute verfügt, haben Produkte im B2B-Bereich oft zig Attribute, die den konkreten Artikel beschreiben. Sofern diese Produktdaten überhaupt als brauchbare Informationen zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage nach der Darstellung im Shop. Wie kann ich die Suche für Benutzer*innen sinnvoll ausgestalten? Wie stelle ich 80 Filter in der Facettierung so dar, dass B2B-Kund*innen trotzdem einfach und zielgerichtet “ihre” Artikel finden?

Kommen wir zum nächsten, grundlegenden Unterschied: Auch das Einkaufsverhalten der Kund*innen im B2B unterscheidet sich vollständig von B2C. Während Kund*innen im B2C Einzelkäufer*innen sind, die die Kaufentscheidung zumeist alleine treffen, begegnet man im B2B-Commerce ganzen Einkaufsteams, die über die Bestellung entscheiden. Hier spielen auch spezielle Konditionen für den Besteller eine wichtige Rolle. Im Rahmen einer langjährigen Kundenbeziehung werden viele Einkaufsbedingungen oft einzeln ausgehandelt und gelten spezifisch nur für eine*n Kund*in, mit dem entsprechende Rahmenverträge verhandelt wurden. Dies gibt es im B2C so nicht. Bei Aufsetzen der B2B-Plattform gilt es insbesondere auch dies zu beachten. Begegnen die Kund*innen hier anderen Aussagen (z.B. über Preise) als denen, die sie erwartet haben, führt dies zu Verunsicherung und damit auch vermeidbaren Rückfragen beim Außendienst oder in der Kundenbetreuung, im Extremfall auch zu Enttäuschung und Vertrauensverlust.

Zuletzt gelten auch im Post-Sales-Service andere Regeln. Neben Retouren und Rechnungen wollen B2B-Einkäufer*innen auch Zugriff auf Lieferscheine, Kommissionsnummern, Rahmenvertragsdaten, ausstehende Lieferungen und vieles mehr. Und genau hier muss das Kundenbackend in der B2B-Plattform zum Self-Service-Desk werden: Der/die Kund*in muss an alle Informationen gelangen, die zur eigenständigen Erledigung von Anfragen im Rahmen der Geschäftsbeziehung auftreten können. Dies führt wiederum auf Seite des Großhändlers zu sinkenden Aufwänden für die Kundenbetreuung. Erfüllt das Backend alle Erwartungen der Kund*innen, steigt damit auch die Kundenbindung.

Beschreibt uns doch mal die unterschiedlichen Möglichkeiten an E-Commerce-Plattformen im B2B und deren Vor- und Nachteile auf Hersteller- und Kundenseite. Warum sollten Großhändler und Hersteller jetzt auch auf E-Commerce setzen?

Häufig überwiegt bei Firmenchef*innen sowie Vertriebs- und Marketingleiter*innen - sowohl bei Großhändlern als auch bei Herstellern - eine starke Risikowahrnehmung bezüglich des Einsatzes von E-Commerce als zusätzlichem Verkaufskanal. Warum neue Wege beschreiten, wenn der Vertriebsinnen- und -außendienst über viele Jahrzehnte einen guten Job gemacht hat und viele Kund*innen gewonnen und langjährig gehalten hat? Die Erfahrungen aus den letzten Jahren im Konsumentengeschäft sollten hierbei eine Lehre sein, um die Chancen des digitalen Geschäftsmodells zu erkennen und umzusetzen. Wie schon oben beschrieben sind praktisch alle potentiellen B2B-Einkäufer*innen auch B2C-Kund*innen. Und dieser Übertragungsprozess aus dem privaten Umfeld, in dem die Kund*innen von Amazon & Co. Annehmlichkeiten im Service erfahren haben und damit auch die digitale Selbstbedienung gelernt haben, überträgt sich auch in die Geschäftswelt. Während man früher “seinen” Großhändler oder Hersteller hatte, recherchieren Kund*innen bei Google auch gerne mal nach Alternativen. Hat man hier kein Angebot im Portfolio, ist man schnell abgeschlagen und die Kund*innen wenden sich der Konkurrenz zu, die eine entsprechende Nachfrage befriedigt. Damit verschwendet man ein erhebliches Absatzpotential in der Neukundengewinnung und verliert auch langjährige Bestandskunden. B2B ist B2C hier sicherlich einige Jahre hinterher, aber auch hier holt nun der E-Commerce auf.

Dieser Trend hat sich in den vergangenen Monaten durch die Coronapandemie sogar noch beschleunigt: Durch die Kontaktbeschränkungen und damit fehlenden Möglichkeiten für den Außendienst mit Kund*innen zu interagieren, ist man hier ohne ein digitales Leistungsangebot noch schneller abgehängt. Für Hersteller kam schwerwiegend noch hinzu, dass lukrative Absatzkanäle durch das bisherige Vertriebsmodell, z.B. durch die Schließungen des Einzelhandels, weggefallen sind und sich auch bis dato nicht wieder vollständig aufgebaut haben. Daher haben viele Hersteller in kurzer Zeit E-Commerce-Modelle aufgebaut, um direkt an Endkund*innen zu verkaufen, und zusätzlich Direktbestellmöglichkeiten für den Fach- und Einzelhandel geschaffen, dabei aber den Großhandel außer Acht gelassen oder umgangen. Daher ist es für den Großhandel - wo noch nicht vorhanden und je nach Branche - auch zwingend notwendig, seine Kompetenzen über digitale Vertriebsmodelle auszuspielen, um sich nicht selbst überflüssig machen und dem möglichen Trend des Onlinedirektvertriebs der Hersteller zu begegnen.

Der Außendienst lebt vom persönlichen Kontakt. Wie schaffen es Unternehmen, auch online die/den Kund*in in den Fokus zu stellen, Stichwort Customer Centricity?

Customer Centricity rückt nicht das zu verkaufende Produkt, sondern den oder die Kund*in in den Vordergrund. Die Kund*innen möchten sich im Verkaufsprozess wohlfühlen, sich verstanden wissen, aber auch das zu verkaufende Produkt verstehen. Und hier hat der persönliche Kontakt natürlich klare Vorteile: Kundenbedürfnisse können durch den direkten Dialog viel besser abgefragt werden, sowohl auf verbaler als auch auf non-verbaler Ebene. Gute Außendienstmitarbeiter überzeugen nicht nur durch ihre fachlichen Kenntnisse, sondern auch durch kommunikative Fähigkeiten, ein sympathisches Auftreten und die Begeisterungsfähigkeit für ihr Unternehmen und dessen Produkte. Diese Fähigkeiten lassen sich im direkten, visuellen Kontakt wesentlich besser vermitteln. Häufig ist der Außendienst bei vielen Unternehmen auch der Single-Point-of-Contact zum Unternehmen: Er verbreitet Wohlfühlatmosphäre und generiert individuelle Problemlösungen und damit gute Gefühle bei Kund*innen. Dies schafft eine hohe Loyalität bei den Bestandskund*innen, holt aber auch zusätzliche Neukund*innen an Bord.

Spätestens durch die Coronapandemie und den Wegfall der persönlichen Kontaktmöglichkeiten hat sich die Arbeit des Außendienstes zwangsläufig verändert. Viele der oben genannten „Wohlfühlfaktoren“ sind damit entweder weggefallen oder erschwert worden. Viele B2B-Unternehmen hatten und haben einen häufig einfachen Onlineshop, der aber keineswegs die oben erwähnten Kundenbedürfnisse erfüllt. Neben dem Telefon muss der Kundschaft online eine Multikanal-Kommunikation eröffnet werden, die über E-Mail und Live-Chats hinausgeht. Der persönliche Kontakt und das Beratungsgespräch können über mittlerweile allgegenwärtige Videokonferenz-Lösungen hervorragend in die Onlinewelt übertragen werden. Diese ersetzen zwar nicht vollständig die persönliche Erfahrung, werden sie aber intelligent mit der B2B E-Commerce-Plattform vernetzt und in sie integriert, dienen sie als sehr gute Ergänzung zum direkten persönlichen Kontakt: Der Außendienst wird zum persönlichen Onlineberater. Dies fängt an bei der einfachen Beratung zu einem Produkt durch einen Klick auf der Produktdetailseite und geht weiter bis hin zum Screensharing, um gemeinsam mit Kund*innen den Warenkorb zusammenzustellen und dabei noch Folge- und Ergänzungsprodukte einzubringen. Dies spart sowohl dem Berater als auch der oder dem Kund*in Anfahrtswege und damit Zeit, die wiederum für andere Bestandskund*innen oder die Neukundenakquise eingesetzt werden kann.

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