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Apotheke am Questerhof

In Zeiten von zunehmender Unsicherheit sind vor allem Expertenmeinungen gefragt, die klare Fakten liefern können. Dies ist auch bei der aktuellen Coronakrise der Fall. Unser Geschäftsführer Boris Hedde hat sich deshalb mit dem Apotheker Sebastian Berges von der Apotheke am Questerhof in Köln Sülz über die aktuelle Lage unterhalten. Herr Berges ist aktuell in doppeltem Sinne gefragt, denn er ist nicht nur Apotheker und damit Unternehmer, sondern auch Mitvorsitzender der Interessensgemeinschaft in Sülz und kann deshalb auch stellvertretend für viele Händler sprechen.

Boris Hedde: Corona ist in aller Munde. Was können wir als Akteure vor Ort tun, um einen sozialen und gesellschaftlichen Beitrag zu leisten?

Sebastian Berges: Wir können vor allem dafür sorgen, dass es zu keinen Panikkäufen kommt. Unsere Aufgabe wird sein, dass wir beruhigen und aufklären, dass diese Hamsterkäufe nicht notwendig sind. Die Hamsterkäufe lähmen uns. Wir haben sehr viel zu tun und viele Fragen zu beantworten, gerade wir Apotheker sind gefordert. Diese Anforderungen nehmen wir gerne an und informieren auch mit Handzetteln und tragen zur Beruhigung bei. Das könnte auch eine Aufgabe von unseren lokalen Händlern sein. Darüber hinaus wird es auch zu Zeiteffekten kommen. Die Käufe, die jetzt getätigt werden, sorgen dafür, dass wir irgendwann zwangsläufig in ein tiefes Loch fallen werden. Wir müssen darüber nachdenken, was passiert, wenn die Krise in mehreren Wochen durchgestanden ist und die Leute dann ihre Vorräte abarbeiten und aufbrauchen. Was passiert dann in unseren Geschäften? Im Moment freuen wir uns alle, denn die „Kasse klingelt“, aber wie sieht es in ein paar Wochen oder Monaten aus?

Boris Hedde: Sie spüren also auch im täglichen Geschäft in ihrer Apotheke, dass in den letzten Wochen ein anderes Verhalten entstanden ist?

Sebastian Berges: Ja absolut. Das Verhalten ist so bunt wie die Menschen. Es gibt Menschen, die „immun“ gegen das Thema sind und denen die Krise vollkommen egal ist. Andere wiederum kommen bereits mit Mundschutz in die Apotheke und fragen nach Desinfektionsmittel oder haben bereits „gehamstert“ und flaschenweise Desinfektionsmittel zuhause. Auch das muss man als Apotheker aufnehmen und jemanden, der entspannt ist anders bedienen als jemanden, der Panik schiebt.

Boris Hedde: Auch das Thema Versorgungssicherheit ist viel diskutiert. Sind das Themen, mit denen sie sich auch beschäftigen?

Sebastian Berges: Absolut. Wir haben schon seit Jahren Lieferengpässe bei sehr häufig verordneten Medikamenten. Bei blutdrucksenkenden, schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten kämpfen wir seit Jahren mit Lieferengpässen. Auch in den Medien wird darüber berichtet und Patient*innen sind darüber informiert und kennen das nur zu gut. Es ist unglaublich, dass 2020 solche Liefersituationen herrschen.

Boris Hedde: Das sind ja wahrscheinlich auch genau die Produkte, die wir aktuell intensiv brauchen werden, oder?

Sebastian Berges: Exakt. Es ist jetzt schon absehbar, dass wir auf weitere Engpässe zulaufen, weil wir nicht an die Rohstoffe gelangen. In meinen Augen wird diese Tatsache das Problem noch verschärfen.

Boris Hedde: Sind spezielle Öffnungszeiten im Lebensmittelhandel für die gefährdeten Zielgruppen wie beispielsweise Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen eine Lösung? Oder können besondere Bündelungsangebote für Altenheime offeriert werden?

Sebastian Berges: Absolut. Damit diese multi-morbiden, immungeschwächten Menschen nicht in größere Gesellschaft gehen müssen, können Botendienste eingeführt werden, bei denen den Risikopatienten die Waren gebracht werden. Wir als Apotheker versorgen diejenigen, die nicht so mobil sind, schon seit vielen Jahren mit unseren Botendiensten. Das könnte ich mir auch für den Lebensmittelhandel sehr gut vorstellen. Auch die Themen Digitalisierung und Onlineberatung werden eine sehr viel größere Rolle spielen und ich gehe davon aus, dass dort neue Angebote entwickelt werden.

Boris Hedde: Die Anforderungen werden zunehmen und für viele wird es auch eine wirtschaftliche Implikation geben. Im kleinbetrieblichen Kontext sind viele Unternehmen bereits angeschlagen, eine solche Krise kann da auch zum Genickbruch werden. Wir müssen uns überlegen, wie ein kooperativer Ansatz helfen kann, Wege zu finden, um gemeinsam und kooperativ erfolgreich zu sein.

Sebastian Berges: Das wäre schön. Ich habe dazu noch keine Idee. Ein Fond oder ein Fördertopf wäre beispielsweise eine Idee. Aber wie der genau aussehen und gespeist werden soll und wie man darauf zugreifen kann, weiß ich aktuell noch nicht. Aber es besteht Handlungsbedarf – und zwar dringend.

Boris Hedde: In den letzten Tagen nimmt die exponentielle Dynamik der Ansteckungen zu. Kann man eine Einschätzung geben, wie lang so eine Entwicklung andauert, bis ein Peak erreicht ist? Inwiefern sind da frühere Erfahrungen mit der Schweinegrippe oder Vogelgrippe hilfreich?

Sebastian Berges: Das kann man bei dieser Coronakrise überhaupt nicht voraussagen. Sie ist nicht vergleichbar mit dem, was wir bisher hatten. Sie ist medial ganz anders aufbereitet und anders im Bewusstsein der Bevölkerung aufgehängt. Durch die Maßnahmen, die wir aktuell haben wie Versammlungsverbote etc., wird das Ganze zusätzlich in die Länge gezogen. Bei Influenza kann man immer einen ähnlichen Verlauf beobachten: Nach vier bis sechs Wochen ist das Thema abgefrühstückt im Normalfall. Aber durch die ganzen Maßnahmen, die ergriffen wurden, wird sich das Thema Corona deutlich verlängern. Ich erwarte, dass es bis in den Sommer hinein zunehmende Infektionsraten geben wird. Auf der anderen Seite wird dann die Quote der Immungeschwächten und damit auch die Komplikationsrate niedriger sein.

 

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