Erfurt

Ansiedlungsmanagement als zukunftsstärkende Ausrichtung verstehen – Stadtgestaltung aktiv in die Hand nehmen

Deutschlandkarte Erfurt markiert mit Zeichnung der Krämerbrücke
© Nadine Hoffmann | www.nh-visuals.com

Andreas Bausewein

Oberbürgermeister der Stadt Erfurt

„Bislang haben wir in Erfurt unser Leerstandsmanagement analog vollzogen. Dass wir hier nachregeln müssen, liegt klar auf der Hand. Durch die BMWK-Förderung in Kooperation mit dem IFH KÖLN bauen wir nun ein digitales Ansiedlungsmanagement in unserer Stadtverwaltung auf, worin wir eine große Chance sehen, den Nachvermietungsprozess hinsichtlich einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung zu begünstigen.”

Porträt Andreas Bausewein, Oberbürgermeister der Stadt Erfurt

Wieso wurde sich für eine Teilnahme am Projekt entschieden?

Innenstädte befinden sich gerade in einem starken Veränderungsdruck. Ausgelöst durch den Strukturwandel, die Änderung der Bedarfe der Innenstadtnutzer:innen, den stärker werdenden Onlinehandel, aber auch die Auswirkungen der Pandemie werden Innenstädte neue Wege bestreiten. Innerhalb einer Laborsituation kann man diese neuen Wege wie in einem geschützten Raum gehen und aus Fehlern lernen. In Erfurt haben wir dies als eine wunderbare Möglichkeit erachtet, uns das Thema Leerstands- und Ansiedlungsmanagement anzusehen.

Was sind die größten Herausforderungen vor Ort in Bezug auf das Leerstands- und Ansiedlungsmanagement?

Erfurt weist in den 1A-Lagen aktuell kaum Leerstände auf. Doch was auffällig ist, ist, dass entstehende Leerstände vorrangig aus dem Bereich der Gastronomie nachgefragt werden, wohingegen der Handel sich wegen der aktuellen Probleme in einer stärkeren Zurückhaltung und Abwartungshaltung befindet, ähnlich der Hotelbranche. Hier jedoch setzt die spannende Frage an: Welcher Branchenmix in den Innenstädten wird diese zukünftig stärken? Momentan befindet sich das Thema Ansiedlung in Erfurt in einer Selbstregulation des Marktes. Doch hier erfolgt die nächste Herausforderung für Innenstädte, einem Überangebot vorzubeugen bzw. dieses strategisch auf die Innenstadt zu verteilen.

Eine weitere interessante Frage ist die nach den Innenstadtnutzer:innen. Wie lauffreudig sind diese momentan? Wie wichtig sind ihnen kurze Laufwege? So konnten wir in Erfurt feststellen, dass sich die Stadt zu strukturieren scheint. So haben wir die Paulstraße für nachhaltige Angebote, die Kettenstraße und Krämerbrücke für das Besondere und auf Tourist:innen ausgerichtete Angebot, während die Meienberg- und Johannesstraße sich dem Thema Imbiss und Gastronomie widmen. Auch diese Strukturierung wollen wir uns mit dem Ansiedlungsmanagement ansehen.

Woran arbeitet die Modellstadt im Projekt aktuell konkret?

In Erfurt arbeiten wir derzeit an drei großen Projekten. Zum einen vollziehen wir mit dem Marktforschungsinstitut IMK das digitale Leerstandsmanagement. Bislang haben wir dieses analog vollzogen. Nun wird die gesamte Innenstadt digital erfasst mit den harten und weichen Standortfaktoren, was wiederum die Datengrundlage für das Leerstandsmanagement und das spätere Ansiedlungsmanagement darstellt.

Weiterhin betrachten wir die Innenstadt hinsichtlich ihrer Zukunftsausrichtung und Multifunktionalität gemeinsam mit dem IMK in einem Innenstadtprofilierungskonzept, welches wir bis Ende 2022 erstellen. Gestartet sind wir mit einer qualitative Phase und Workshops der Akteursgruppen: Bürger:innen, Handel, Gastro, Institutionen, Dienstleister, der Tourismusbranche und der Kultur/Bildung. Schon jetzt konnten hier viele Erkenntnisse gewonnen werden, die in eine spätere quantitative Phase – einer Befragungsphase – münden.

Das dritte Projekt dient dem Austausch von Impulsen und einem aktiven Netzwerken. Gemeinsam mit weiteren lokalen Partner initiieren wir als Amt für Wirtschaftsförderung den Wirtschaftskongress erwicon 2022 – NEU.STADT – NEU.START. Hier wird die Entwicklung der Innenstädte mit Impulsvorträgen und 9 Workshops am 08.06.2022 im Erfurter Steigerwaldstadion thematisiert. Alle Programminhalte finden Sie unter www.erwicon.de.

Welche Best Practices zur Vitalisierung gibt es schon vor Ort? Welche Erfahrungen wurden hierbei gemacht?

Die drei wesentlichen Stadtlaborprojekte sind gerade innerhalb der Umsetzung und werden begleitet von kleineren Projekten, bei denen wir eine sehr positive Wirkung für die Innenstadtentwicklung feststellen konnten – das Thema Zwischennutzung. Nicht immer werden Immobilien sofort vermittelt, was zum einen die Attraktivität des Areals schädigt und zum anderen Eigentümer und die Immobilienwirtschaft unter einen gewissen Zugzwang stellt. Im schlimmsten Fall leidet daraus resultierend die Qualität der Nachvermietung. So haben wir als Stadt gemeinsam mit der IMAGO Kunstschule in der Schlösserstraße einen langstehenden Leerstand angemietet, der nun nach diesem Projekt in ein wunderbares traditionelles Backwarengeschäft mit Café mündete. Gegenüberliegende Geschäfte berichteten uns während der Zwischennutzung von Menschen, die die Werke der Kinder fotografierten und, ohne dass es ein erklärtes Ziel war, die Bilder kauften. Qualitative Umfragen ergaben, dass das Geschäft während der Zwischennutzung nicht mehr als Leerstand empfunden wurde, sondern die Besucher:innen sich auf die ausgestellten Inhalte konzentrierten.

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