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25. Februar 2025

KI-Agenten verändern die Art und Weise, wie Unternehmen Prozesse automatisieren – von der Kundenkommunikation bis hin zur Lieferkette. Doch wo liegen die größten Potenziale, und welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Achim Himmelreich, Gobal Head Consumer Engagement bei unserem ECC CLUB Mitglied Capgemini gibt Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und Chancen der neuen KI-Evolutionsstufe.

Wo siehst du aktuell die größten Einsatzmöglichkeiten für KI-Agenten und wie wird sich die Automatisierung in den nächsten Jahren deiner Ansicht nach entwickeln?

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT hört man die Schlagworte von der allumfassenden Automatisierung in der Wirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im Konsumentenumfeld ist generative KI (Gen AI) mit atemberaubender Geschwindigkeit angekommen. Mittlerweile setzen 59 Prozent der deutschen Verbraucher:innen bei der Recherche nach Produkten oder Dienstleistungen auf Gen AI Chatbots und nicht mehr auf herkömmliche Suchmaschinen. ¹ Die Adaption in der Wirtschaft erfolgt hingegen noch etwas langsamer. Viele Unternehmen investieren in KI und experimentieren im Rahmen von Pilotprojekten, aber von einer umfassenden Automatisierung sind wir noch ein gutes Stück entfernt.

Das wird sich jetzt ändern. Diese Entwicklung war auf der globalen Leitmesse des Handels, der NRF in New York, bereits zu spüren.  Der dominierende Begriff war „Agenten“ – gemeint sind KI-Agenten – und das Motto entsprechend „We are entering agentic times“. Alle großen Softwareunternehmen wie auch die Mehrheit der Start-ups haben ihre jeweiligen KI-Agenten präsentiert. Dabei handelt es sich im wörtlichen Sinne um KI-basierte Agenten, die nach einigen Iterationen durch die sogenannten Prompts in der Lage sind, selbständig die definierten Aufgaben zu übernehmen.

Ein Beispiel dafür ist, wenn KI die Kundenkommunikation im Web oder mobil via Chatbot durchführt. Agenten sind damit die aktuelle Evolutionsstufe der generativen KI. Ich habe mich selbst davon überzeugen können, dass ein KI-basierter Chat-Agent wesentlich besser funktioniert als die herkömmlichen Chatbots. Das liegt daran, dass die generative KI sehr viel leistungsstärker, flexibler und in verständlicherer Sprache durch die Kommunikation führt als viele bisher bekannte Chatbots. Letztere basieren eher auf statischen Regeln und verstehen Kund:innen oft genug nicht oder man landet in einer „kommunikativen Sackgasse“.

Allerdings sind aktuell noch einige Iterationen für das Training notwendig, damit der Agent auch gut funktioniert. Dies erfolgt durch die Prompt-Eingabe – ein weiterer Beleg dafür, dass der neue Beruf des Prompt-Engineers wichtig und einträglich ist und auch in naher Zukunft bleiben wird. Damit eine KI umfassend trainiert werden kann und qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert, bedarf es gut ausgebildeter und erfahrener Prompt-Engineers. Diese sind für Unternehmen entscheidend, wenn sie erfolgreiche Agenten etablieren möchten. In den nächsten Jahren ist davon auszugehen, dass die Agenten einen höheren Reifegrad erreichen und sich in weniger Iterationen erstellen lassen – der Weg in die vollständige Automatisierung wird in kontinuierlichen Verbesserungsschritten vollzogen.  

Was sind die größten Benefits beim Einsatz von Agenten?

Agenten bieten vor allem in zwei Bereichen Vorteile: Zum einen sorgen sie für Kostenersparnisse, wenn die KI einfachere und repetitive Tätigkeiten übernimmt und sich die Mitarbeiter:innen anspruchsvolleren Aufgaben widmen können. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels kann KI hier einen wichtigen Beitrag leisten, qualifizierte Mitarbeiter:innen zu entlasten.

Der zweite Vorteil, und das ist aus meiner Sicht der weitaus wichtigere: Agenten, die auf generativer KI basieren, ermöglichen eine höhere Qualität und Leistung als bisherige KI-Modelle. Das Beispiel der Chatbots verdeutlicht, dass ein bislang eher mittelmäßiger Service mithilfe von Gen AI durch einen hervorragenden ersetzt werden kann. Zudem werden neue Dinge möglich, die bislang  – teilweise aus Kostengründen – nicht umsetzbar waren: Die Kommunikation mit Kund:innen kann durch einen KI-Agenten sehr persönlich werden, da die KI basierend auf den Kundendaten in realistischer Sprache ein sehr individuelles, geradezu menschliches Gespräch führen kann. Ein Jahr zuvor hatte ich an gleicher Stelle gesagt, dass die gute, alte Tante Emma als KI wiederkommen wird. Jetzt weiß ich es, die Tante Emma der Zukunft wird ein KI-Agent sein.

Im Service- und Kommunikationsbereich werden wir sicherlich als Erstes einen umfassenden Einsatz von Agenten sehen. Denn einerseits passt die Problemstellung genau auf generative KI und zweitens ist die Komplexität meist überschaubar. Auch im Marketing können sich zeitnah umfangreiche Anwendungsfälle für Agenten ergeben. In den komplexeren Bereichen wie Entwicklung, Produktion und Supply Chain Management werden Agenten naturgemäß erst später erfolgreich  und umfassend implementiert werden können. Dort sind aber die Potentiale noch einmal deutlich größer: Neben Kosteneinsparungen sind dies kürzere Entwicklungszeiten sowie eine vollständige Transparenz der Lieferkette inklusive automatischer Anpassung bei Veränderungen. Außerdem ist eine nahezu automatische Fertigung denkbar, wie wir sie aus den sogenannten „dunklen Fabriken“ der Chipproduktion bereits kennen – denn Roboter und Agenten benötigen kein Licht!

Was sind demgegenüber die Herausforderungen für Unternehmen bei der Implementierung von Agenten?

Unternehmen müssen zunächst definieren, in welchen Bereichen tatsächlich schon Erfolge umgesetzt werden können – das sind wie ausgeführt zunächst die weniger komplexen wie z. B. Kundenservice. Um dies zu realisieren, müssen Unternehmen zunächst Know-how aufbauen oder einkaufen.

Man kann zwar schnell prompten und herumexperimentieren, aber derzeit ist Prompten ein Handwerk oder manchmal gar eine Kunst, die erlernt werden muss. Außerdem muss die geeignete Software ausgewählt werden, was ebenfalls eine entsprechende Expertise voraussetzt. All diese Wissensbereiche gehören bislang nicht oder kaum zu den Kernkompetenzen des Handels, was sich aber sehr schnell ändern muss. Ein derartiger Wandel ist wie jeder andere auch eine komplexe organisationale und kulturelle Herausforderung. Die meisten Veränderungsprogramme scheitern bekanntermaßen nicht an der Technologie, sondern am „Faktor Mensch“. Daher wird Change-Management eine entscheidende Rolle beim „Betreten der agentic times“ zukommen.

Insgesamt wird der Wettbewerb der Zukunft dann eine ganz andere Charakteristik annehmen: Wettbewerbsvorteile werden die Unternehmen haben, die über bessere Agenten verfügen. Das setzt ein erfolgreiches Change-Management ebenso voraus wie den Aufbau neuen Know-hows – wie das des qualitativ hochwertigen Promptens, um die besten Agenten zu entwickeln.

Welche Chancen siehst du im Einsatz von Agenten für visuelle Inhalte wie Bilder oder Filme, und wie könnte das Marketing davon profitieren?

Seit der Einführung von ChatGPT fokussiert sich die KI-Berichterstattung sehr stark auf Sprache; nachvollziehbar, wenn man mit ansieht, wie Kinder ihre Schulaufsätze mit generativer KI erstellen. Sprache ist aber nur eine Output-Form.

Genauso wie ich Text erstellen lassen kann, kann ich dasselbe auch mit Bildern, Filmen und vielem mehr realisieren. Das verkürzt einerseits den Zeitaufwand für die Erstellung von Visuals z. B. für Werbezwecke enorm und führt somit zu Kosteneinsparungen.

Andererseits können gut funktionierende Agenten auch automatisch personalisiert werden, sodass wir auch visuell in ein One-to-One Marketing Zeitalter eintreten können und werden. Das ist bislang schlichtweg nicht rentabel umzusetzen. Da die KI aber mit jeder Interaktion lernt, wird die Gesamtkommunikation in Zukunft hochgradig personalisiert ablaufen werden können.


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Quellenangabe:
¹ Consumer Trends Report 2025

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