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26. Juni 2025

Am 1. Juli 2024 trat die EU-Richtlinie zum „Recht auf Reparatur“ (Right to Repair, R2R) in Kraft. Ihr Ziel: die Lebensdauer von Elektro- und Elektronikgeräten verlängern, Ressourcen schonen und Elektroschrott vermeiden. Hersteller sind nun verpflichtet, bestimmte Geräte auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung zu „angemessenen“ Preisen innerhalb eines „angemessenen“ Zeitraums instand zu setzen. Bis spätestens 31. Juli 2026 muss die Richtlinie in allen EU-Mitgliedsstaaten – auch in Deutschland – in nationales Recht überführt sein.

Die Auswirkungen dieser Richtlinie sind vielfältig – sowohl für Verbraucher:innen als auch für die beteiligten Unternehmen. Eine aktuelle Studie des Bundesverbands Technik des Einzelhandels (BVT) und des Versicherers Wertgarantie, durchgeführt vom IFH KÖLN, liefert erstmals fundierte Einblicke in die Erwartungen und Einschätzungen der verschiedenen Marktteilnehmer. Deutlich wird: Die Chancen sind groß – aber die Herausforderungen ebenso.

Reparaturen auf dem Vormarsch – schon vor der Richtlinie

Bereits heute zeigt sich, dass Reparaturen für viele Menschen zum Alltag gehören. Im Jahr 2024 war etwa in jedem dritten Haushalt ein Gerät, das unter die neue Regelung fällt, von einem Defekt betroffen. Besonders häufig waren Smartphones und Waschmaschinen defekt. In der Hälfte dieser Fälle entschieden sich Verbraucher:innen für eine Reparatur, wobei zwei Drittel die Reparatur über Dritte beauftragten. Besonders gefragt war dabei der professionelle Kundendienst der Hersteller
(44 %). Die Zufriedenheit mit professionellen Reparaturen ist hoch: 9 von 10 Befragten würden sich erneut dafür entscheiden.

Auch Hersteller (55 %) und Fachhandel (53 %) bestätigen einen steigenden Reparaturbedarf – viele Unternehmen arbeiten bereits an der Kapazitätsgrenze. Rund die Hälfte der Hersteller plant, Reparaturen zunehmend an Partnerbetriebe auszulagern.

Verbraucher:innen oft nicht ausreichend informiert – Aufklärung dringend nötig

Gleichzeitig offenbart die Studie ein Informationsdefizit bei Verbraucher:innen. Zwar ist die Bekanntheit der Richtlinie gegenüber dem Vorjahr gestiegen – von 38 auf 44 Prozent –, doch ein erheblicher Teil der Bevölkerung kennt die Details nicht. Besonders problematisch ist die Fehleinschätzung, dass es sich um ein kostenfreies Reparaturrecht handelt. 14 Prozent derjenigen, die glauben, mit der Richtlinie vertraut zu sein, gehen fälschlicherweise von einem kostenlosen Anspruch aus. Hier besteht dringender Aufklärungsbedarf, um unrealistische Erwartungen zu vermeiden und Enttäuschungen vorzubeugen.


Wirtschaft sieht durchaus Chancen

58 Prozent der Fachhandelsunternehmen und 55 Prozent der Hersteller gehen davon aus, dass im Zuge des Rechts auf Reparatur das Reparaturvolumen allgemein steigt. Auch eine Steigerung des eigenen Reparaturvolumens wird erwartet (Fachhandel: 52 %, Hersteller: 56 %). Zudem sehen Fachhandel und Hersteller Chance für eine Stärkung der Kundenbindung, Möglichkeiten für Up- und Cross-Selling durch mehr Kontaktpunkte zum Kunden sowie Chancen für den Reparaturservice als neues Geschäftsmodell. Umsatzchancen durch das Recht auf Reparatur sieht eher der Fachhandel (73 %) und weniger die Hersteller (37 %).

Insbesondere Hersteller gehen davon aus, dass die Richtlinie den Wettbewerb auf dem Reparaturmarkt fördern wird (Hersteller: 58 %, Fachhandel: 41 %). Dass dieser stärkere Wettbewerb aber letztlich den Verbraucher:innen zugutekommt, glaubt nur eine Minderheit der Unternehmen (Hersteller: 37 %, Fachhandel: 26 %)

Wird das „Recht auf Reparatur“ an der Realität scheitern?

Trotz der positiven Grundstimmung gegenüber der Richtlinie zeigt sich, dass ihre Umsetzung erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. So kritisiert vor allem der Fachhandel, dass zentrale Begriffe wie „angemessene Reparaturdauer“ (Fachhandel: 74 %, Hersteller: 32 %) oder „angemessener Preis“ (Fachhandel: 70 %, Hersteller: 21 %) bisher nicht klar definiert sind. Die konkrete Ausgestaltung bleibt den Marktteilnehmern überlassen – was zu Unsicherheiten führt. Auch die Verlängerung der Gewährleistung wird sowohl vom Fachhandel (70 %) als auch von den Herstellern (63 %) als (sehr) große Herausforderung gesehen.

Hinzu kommen administrative Hürden: Mit dem freiwilligen EU-Reparaturformular soll für jede Reparaturanfrage ein neues, standardisiertes Formular verwendet werden, das laut Fachhandel in der Praxis mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Die Erhebung und Bereitstellung der darin geforderten Informationen werden von drei Viertel der Fachhandelsunternehmen als nicht praktikabel eingeschätzt.

Ein weiteres Problem betrifft die Kapazitäten im Reparaturmarkt. Schon heute ist die Branche mit einem deutlichen Fachkräftemangel konfrontiert. Insbesondere der Fachhandel sieht in der Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte eine Herausforderung (85 %). Sollte die Nachfrage nach Reparaturen – wie erwartet – weiter steigen, wird es zunehmend schwierig, alle Anfragen zeitnah zu bearbeiten. So äußern fast drei Viertel der befragten Fachhändler (74 %) und knapp die Hälfte der befragten Hersteller (40 %), mit den aktuell vorhandenen Ressourcen nicht oder nur teilweise auch ein größeres Reparaturvolumen umsetzen zu können. Ein weiteres Hindernis stellt die Ersatzteilversorgung dar. Hersteller (45 %) und Fachhandel (60 %) beklagen die eingeschränkte Verfügbarkeit.

Doch es gibt auch Skepsis, ob die Richtlinie tatsächlich ihr volles Potenzial entfalten kann. Neben den Herausforderungen, die sich für Hersteller und Fachhandel ergeben, könnte sich das Recht auf Reparatur auch negativ für die Verbraucher:innen auswirken.  68 Prozent der Fachhandelsunternehmen und 63 Prozent der Hersteller gehen davon aus, dass im Zuge der Richtlinie die Kosten für Reparaturen steigen werden. Dies wird vor allem mit dem zusätzlichen personellen Aufwand für Serviceleistungen (Hersteller: 92 %, Fachhandel: 58 %), sowie Reparaturen (Hersteller: 67 %, Fachhandel: 58 %) begründet, aber auch mit den zusätzlichen Kosten für z.B. Ersatzteile (Fachhandel: 68 %) und der Lagerung von diesen (Hersteller: 83 %).

Fazit: Große Chance – aber nur mit praxisnaher Umsetzung

Das geplante Recht auf Reparatur ist konzipiert als ein Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und einem bewussteren Umgang mit Konsumgütern. Es bietet die Chance, den Lebenszyklus von Geräten zu verlängern, Müll zu reduzieren und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle für Handel und Hersteller zu entwickeln.

Damit diese Ziele erreicht werden können, braucht es jedoch mehr als gesetzliche Vorgaben. Entscheidend wird sein, wie die Richtlinie in Deutschland ausgestaltet wird – und ob es gelingt, die verschiedenen Interessen von Verbraucherschutz, Wirtschaft und Umwelt sinnvoll in Einklang zu bringen.

Die vorliegende Studie liefert eine belastbare Grundlage für diese Weiterentwicklung. Sie zeigt: Reparieren ist möglich – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Über die Studie

Die Studie „Recht auf Reparatur“ des IFH KÖLN rund um den Anspruch, die Umsetzung und die Wirkung der EU-Richtlinie „Recht auf Reparatur“ basiert auf einer quantitativen Befragung von Verbraucher:innen (repräsentativ), Fachhändlern, Herstellern und Gesprächen mit Unternehmen der Ersatzteilwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Technik des Einzelhandels e.V. (BVT) und dem Spezialversicherer Wertgarantie.

Die Studie kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.

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