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Corona hat uns alle fest im Griff. Ich selbst hatte das Glück noch mit einer der letzten Maschinen aus Neuseeland nach Hause zu kommen, bevor dort jetzt der Lockdown Rückholungen durch die Bundesregierung notwendig macht. Zu Hause erwarten jeden von uns drängende rechtliche Fragen rund um die Auswirkungen der Pandemie, die hier kurz mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht und höhere Gewalt behandelt werden sollen.

Entschädigung bei Quarantäne / Tätigkeitsverbot
Wann bekommt man eine Entschädigung, weil nicht gearbeitet werden kann?

Für die Anordnung einer Quarantäne ist grundsätzlich eine behördliche Entscheidung erforderlich.

Hierzu heißt es in § 30 Abs. 1 IfSG:

(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.

Hier sind jedoch lediglich spezielle Vorgaben in Bezug auf die Behandlung der betroffenen Person enthalten. 

Auch kann die zuständige Behörde ein berufliches Tätigkeitsverbot verhängen. Hierzu regelt § 31 IfSG:

Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht.

In jedem Fall muss hier aber eine behördliche Entscheidung erfolgt sein.

Der Arbeitgeber muss in diesem Fall dem betroffenen Mitarbeiter 6 Wochen die Entschädigung nach § 56 Abs. 5 IfSG in voller Lohnhöhe auszuzahlen. Zugunsten des Arbeitgebers greift dann § 56 Abs. 5 S. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dieses besagt, dass dem Arbeitgeber die ausgezahlten Beträge von der zuständigen Behörde auf Antrag erstattet werden. Ab Woche 7 erhält der Arbeitnehmer dann Krankengeld von der Krankenkasse.

(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.

(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt.

[…]

(5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.

Weitere Infos z.B. hier https://www.lwl-soziales-entschaedigungsrecht.de/de/

Keine Entschädigung bei Umsatzeinbußen ohne Quarantäne

Bei Umsatzeinbußen ohne angeordnete Quarantäne oder Tätigkeitsverbot werden keine Entschädigungen geleistet. Die von Bund, Land NRW oder freiwillig beschlossenen Betriebsschließungen sind danach keine Quarantänen oder Tätigkeitsverbote im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Hierzu zählen die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindertageseinrichtungen, die Absage oder Untersagung von Veranstaltungen aller Art, das Verbot der Durchführung von Märkten, die Anordnung von Betriebsschließungen wie z.B. Fitnessstudios, Bars, Clubs, etc. Diese Maßnahme stellt keine Quarantäne oder ein Tätigkeitsverbot dar. Die Landschaftsverbände können in diesen Fällen keine Entschädigung vornehmen. Bei Umsatzeinbußen aufgrund dieser Maßnahmen handelt es sich um das allgemeine Betriebsrisiko.

Gilt Selbstisolation als Quarantäne?

Wenn jemand z.B. nach einem Urlaub in einem Risikogebiet zurückkommt und erst einmal empfohlen wird, Sozialkontakte zu meiden und zu Hause zu bleiben, handelt es sich nicht um Quarantäne.

Freiwillige Quarantäne/Anspruch auf Lohn

Sofern Arbeitnehmer*innen nicht arbeitsunfähig sind, sind sie grundsätzlich zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet. 

Besteht bei einem Arbeitnehmer aber der Verdacht, sich mit dem Corona-Virus angesteckt zu haben – etwa weil er z. B. in Kontakt mit einer Person war, bei der eine Infektion festgestellt wurde, kann ein sogenannter vorübergehender Verhinderungsgrund vorliegen (§ 616 S.1 BGB). Der Arbeitnehmer darf in dem Fall von der Arbeit fernbleiben, behält aber grundsätzlich gleichwohl seinen Anspruch auf Entgelt (kann durch Tarif- oder Arbeitsvertrag begrenzt sein).

Ein solcher Verhinderungsgrund liegt z. B. auch bei einem medizinisch notwendigen Arztbesuch vor, wenn dieser nur während der Arbeitszeit erfolgen kann. Ist zur medizinischen Abklärung eines Corona-Verdachts das Fernbleiben von der Arbeit nötig, muss der Arbeitgeber unverzüglich über das Fernbleiben von der Arbeit informiert werden.

Arbeitnehmer nach Hause schicken?

Der Arbeitgeber ist zudem aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, einen objektiv arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer von der Arbeit fernzuhalten. Wird ein solcher Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber nach Hause geschickt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es gelten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG).

Ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, die arbeitsfähig und auch arbeitsbereit sind, rein vorsorglich nach Hause schickt bzw. von der Arbeit freistellt, bleibt zur Zahlung der Vergütung verpflichtet (so genannter Annahmeverzug - § 615 S. 1 BGB). In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer die ausgefallene Arbeitszeit auch nicht nachholen.

Wer beurteilt, ob Arbeitnehmer freigestellt wird?

Die Entscheidung ob man als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer von der Arbeit freistellt muss man tatsächlich selbst treffen. Kriterien für eine Freistellung könnten sein,

  • Empfehlung durch den Arzt,
  • Krankheitssymptome,
  • Rückkehr aus Risikogebiet. 

Solange eine Quarantäne oder ein Beschäftigungsverbot nicht behördlich angeordnet wird, verbleibt es aber grundsätzlich zunächst bei dem Lohnanspruch durch den Arbeitnehmer.

Maßnahmen zum Arbeitsschutz

Neben einer behördlich angeordneten Quarantäne greift aber auch das Arbeitsschutzgesetz. Nach § 3 Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber (unabhängig von behördlichen Maßnahmen) dazu verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die die Sicherheit und die Gesundheit der bei ihm beschäftigten Personen zu ergreifen. Dies kann in der aktuellen Lage z.B.

  • die Ermöglichung von Homeoffice,
  • die Bereitstellung von Handseifen, Papierhandtüchern, geschlossenen Müllbehälter und evtl. auch Handdesinfektionsmitteln. Den Arbeitnehmern muss es auch während der Arbeitszeit ermöglicht werden, sich die Hände zu waschen etc.
  • die Gestaltung der Arbeitsplätze in der Art sein, dass zwischen Mitarbeitern ein ausreichender Abstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten wird.
  • ggf. sollten besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen (insbesondere ältere und vorerkrankte Beschäftigte oder Menschen mit Behinderungen) von der Arbeit freigestellt werden, wenn es keine Möglichkeit gibt, dass sie ohne direkten sozialen Kontakt ihre Arbeit verrichten können.
  • Auch Beginn und Ende der Arbeitszeiten ist etwa bei Zeiterfassung, Umkleideräumen etc. so zu gestalten, dass vermieden wird, dass es zu einem engen Zusammentreffen mehrerer Arbeitnehmer kommt.
  • Pausenregeln sollten ggf. so angepasst werden, dass der Sicherheitsabstand zwischen den Arbeitnehmern etwa in Pausenräumen / Kantinen eingehalten wird, z.B. durch versetzte Pausen.

Höhere Gewalt

Die Unterbrechung von Lieferketten ist natürlich auch ein Problem. Ist Corona „höhere Gewalt“? Wer UN-Kaufrecht in seinem Vertragsverhältnis zur Anwendung gebracht hat, der kann sich auf Art. 79 CISG stützen.

Art. 79

(1) Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, daß die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflußbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und daß von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.

(2) Beruht die Nichterfüllung einer Partei auf der Nichterfüllung durch einen Dritten, dessen sie sich zur völligen oder teilweisen Vertragserfüllung bedient, so ist diese Partei von der Haftung nur befreit,

a)wenn sie nach Absatz 1 befreit ist und

b)wenn der Dritte selbst ebenfalls nach Absatz 1 befreit wäre, sofern Absatz 1 auf ihn Anwendung fände

(3) Die in diesem Artikel vorgesehene Befreiung gilt für die Zeit, während der der Hinderungsgrund besteht.

(4) Die Partei, die nicht erfüllt, hat den Hinderungsgrund und seine Auswirkung auf ihre Fähigkeit zu erfüllen der anderen Partei mitzuteilen. Erhält die andere Partei die Mitteilung nicht innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem die nicht erfüllende Partei den Hinderungsgrund kannte oder kennen mußte, so haftet sie für den aus diesem Nichterhalt entstehenden Schaden.

(5) Dieser Artikel hindert die Parteien nicht, ein anderes als das Recht auszuüben, Schadenersatz nach diesem Übereinkommen zu verlangen. 

Nach der Rechtsprechung des BGH ist höhere Gewalt ein, "von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis" (BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15).

Damit ist immer auf den Einzelfall abzustellen und deutsches Recht ist hier strenger als ausländisches Recht. Eine Pandemie fällt jedenfalls darunter, wenn sie in der Vertragsklausel erwähnt ist. Aber auch ohne Klausel bestehen Chancen, diese als höhere Gewalt anzuerkennen. Anders kann es sein, wenn Klauseln vorhanden sind, die aber Pandemien oder behördliche Weisungen nicht aufführen. Hier könnte man argumentieren, dass die Vertragsparteien abschließend geregelt haben, wann höhere Gewalt vorliegen soll.

Indizwirkung haben „Force Majeure Zertifikate“, wie sie in China von den chinesischen Außenhandelskammern ausgestellt werden. Allerdings ist dennoch in jedem Fall zu fragen, ob das Ereignis das Lieferproblem ursächlich herbeigeführt hat und ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde.

Auch müssen die Parteien daran denken, dass regelmäßig die Verhinderung und voraussichtliche Dauer angezeigt werden muss.

Wenn höhere Gewalt vorliegt, werden meist die Vertragsparteien von ihren Hauptleistungspflichten befreit. Jeder muss seinen Schaden selbst tragen. Es kann aber auch geregelt sein oder geregelt werden, dass die Pflichten zunächst einmal ruhen und nach dem Ende der Beeinträchtigungen plus einer bestimmten Anlaufzeit wieder aufleben. Dies kann mit einer Regelung kombiniert werden, nach der ein Kündigungsrecht besteht, falls das Ereignis über einen bestimmten Zeitraum hinweg fortbesteht.

Wenn Sie sich mit dem Lieferanten oder Empfänger einigen und das ist in diesen Zeiten zu empfehlen, gießen Sie das in entsprechende schriftliche Abreden! Machen Sie ggf. klar, ob Schadensersatz damit ausgeschlossen bzw. erledigt sein soll bzw. welche Folgen genau erledigt werden sollen.

Fazit:

Auch wenn der eCommerce viele virtuelle Elemente aufweist, arbeiten hier Menschen. Die Firmen und damit Arbeitsplätze zu erhalten ist sicher in aller Interesse. Wenn die nötigen Maßnahmen getroffen sind, kann man seine Kraft wieder in das Kerngeschäft stecken. Gehen Sie auf Ihre Kunden zu. Verlängern Sie das Widerrufsrecht, aber machen Sie es richtig! Sorgen Sie dafür, dass sich keine Widersprüche zu Ihren AGB ergeben. Ziehen Sie Ihren Rechtsberater hinzu, um sich hier nicht das nächste Problem zu schaffen.

Bleiben Sie gesund!

Ihr Rolf Becker

Rechtsanwalt Rolf Becker

Über den Autor

Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER in Köln und Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC-Club kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Online-Handel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen. 

RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker   

Er ist auch Autor auf den Informationsdiensten www.versandhandelsrecht.de.

Pressehinweise

Gerne dürfen Sie den Text von Herrn Becker redaktionell weiterverwenden. Bitte geben Sie hierbei die URL zum Rechtstipp sowie folgende Quelle an: RA Rolf Becker WIENKE & BECKER / ECC-Rechtstipp. Bitte senden Sie ein Belegexemplar bzw. den Link zur Veröffentlichung an presse(at)ifhkoeln.de. Vielen Dank!

 

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