
Traditionelle Content-Management-Systeme stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Headless CMS versprechen mehr Flexibilität, schnellere Workflows und echte Omnichannel-Fähigkeiten. Wir haben mit Markus Schulz, Senior Product Owner bei unserem ECC CLUB Mitglied Turbine Kreuzberg, über die Vorteile moderner CMS-Architekturen gesprochen und wie Unternehmen von einem Systemwechsel profitieren können.
WordPress und Typo3 dominieren nach wie vor den Markt. Gleichzeitig sprichst du von "Headless statt Headache". Was läuft bei traditionellen CMS-Systemen so grundlegend falsch, dass Unternehmen über einen kompletten Systemwechsel nachdenken sollten?
Das Problem ist nicht, dass diese Systeme schlecht sind - sie waren für ihre Zeit hervorragend. Die große Vielseitigkeit durch Plugins und Themes, die aktive Community, die Eignung für komplexe mehrsprachige Websites - das alles hat seine Berechtigung. Aber die monolithische Architektur, die damals ein Vorteil war, wird heute zum Verhängnis.
Stell dir ein typisches Szenario vor: Eine neue Produktkampagne soll zeitgleich auf Website, App, Newsletter und Social Media launchen. Mit einem traditionellen CMS müssen dieselben Inhalte mehrfach separat erstellt werden, für jede kleine Anpassung wird das Entwicklerteam gebraucht, und drei Wochen vergehen, bis alles live geht. Währenddessen hat die Konkurrenz längst reagiert.
Wir sehen drei zentrale Hindernisse: Verschachtelte Strukturen, die jeden Kanal separat erfordern. Kostspielige Abhängigkeiten, weil jede Anpassung Entwickler-Ressourcen bindet. Und veraltete Benutzeroberflächen ohne moderne Personalisierungsfunktionen. Die enge Verzahnung von Backend, Frontend und Content führt zu Content Silos - isolierte Inhalte, die nicht nahtlos zwischen Plattformen geteilt werden können. Das ist in einer Omnichannel-Welt einfach nicht mehr zeitgemäß.
Du sprichst von Headless CMS als Lösung. Kannst du uns die grundlegende Architektur und die daraus resultierenden Vorteile für verschiedene Unternehmensbereiche erklären - sowohl für Content-Teams als auch für Entwickler:innen?
Der fundamentale Unterschied liegt in der strikten Trennung von Frontend und Backend - Content-Verwaltung und -Präsentation werden vollständig entkoppelt. Diese API-First-Architektur macht Inhalte plattformunabhängig verfügbar. Derselbe Content kann nahtlos auf Web, Mobile, Social Media oder IoT-Geräten ausgespielt werden.
Für Developer-Teams bedeutet das echte Freiheit: Sie können Inhaltsmodelle flexibel definieren, APIs individuell anpassen und neue Kanäle schnell integrieren - alles mit unabhängig aktualisierbaren Komponenten. Einige CMS nutzen einen nativen GraphQL-Ansatz für schnellere Performance, wodurch Entwickler:innen mehrere Quellen durch eine API-Anfrage abrufen können. Andere Systeme fungieren als Composable Content Platform mit modularer Content-Erstellung und nahtloser Integration über APIs.
Für Content-Teams ist der Gewinn noch größer: Sie können Inhalte einmal erstellen und konsistent auf allen Kanälen ausspielen - echte Omnichannel-Erlebnisse. Headless CMS reduzieren durch No-Code/Low-Code-Funktionen und Echtzeit-Visual-Editoren technische Barrieren auf ein Minimum. Teams können Änderungen live verfolgen, verschiedene Ansichten testen und Preview-Links teilen, ohne die Plattform zu verlassen. Viele technische Anpassungen, die früher ausschließlich von Entwickler:innen übernommen wurden, können Marketing- und Content-Teams jetzt selbstständig erledigen.
Außerdem können die modernen Systeme durch native KI-Funktionen komplexe Prozesse wie Personalisierung, Lokalisierung und Bildverarbeitung automatisieren. SaaS-Modelle sorgen dabei für nachhaltige Wirtschaftlichkeit - minimale Betriebs- und Wartungskosten, hohe Skalierbarkeit und eine modulare Architektur halten die Total Cost of Ownership dauerhaft gering.
Zum Abschluss: Welche strategischen Kriterien sollten Unternehmen bei der Evaluierung eines modernen CMS priorisieren, und wie schätzt du die langfristige Entwicklung in diesem Bereich ein?
Die wichtigste Erkenntnis vorweg: Es gibt nicht das eine richtige CMS für alle. Welches moderne Content-Management-System passt, hängt maßgeblich von den individuellen Anforderungen ab. Der tatsächliche Mehrwert zeigt sich in unterschiedlichen Bereichen - sei es in der Effizienz der Content-Erstellung, der Flexibilität bei der Ausspielung auf verschiedene Kanäle, der Unterstützung von Mehrsprachigkeit oder der Integration neuer Technologien wie KI.
Unternehmen sollten sich auf fünf zentrale Werte konzentrieren:
- Benutzerfreundlichkeit - ein CMS sollte jedem Team eine intuitive Benutzeroberfläche bieten, um den Output zu maximieren und die Abhängigkeit von Entwickler:innen zu minimieren.
- Flexibilität - maßgeschneiderte Inhaltsmodelle und wiederverwendbare Komponenten für schnelle Anpassungen an wechselnde Geschäftsanforderungen.
- Skalierbarkeit - besonders für wachsende Produktkataloge auf diversen Kanälen und in internationalen Märkten. Ein CMS muss bei Lokalisierung, mehrsprachigen Inhalten und komplexer Preisgestaltung unterstützen.
- nahtlose Integration - offene APIs und vorgefertigte Integrationen für den bestehenden Tech-Stack.
- Sicherheit - von benutzerdefinierten Content-Stages über Rollenverwaltung bis hin zu rechtssicherer Archivierung.
Da monolithische Systeme viele dieser Mehrwerte nur begrenzt oder gar nicht mehr leisten können, sind sie für wachstumsorientierte Unternehmen keine geeignete Option mehr. Ein CMS, das zu den strategischen Zielen und Arbeitsabläufen passt, bietet nicht nur technische Funktionalitäten, sondern schafft nachhaltigen geschäftlichen Nutzen.
Langfristig sehe ich eine klare Entwicklung: Der Wechsel zu modularen, API-First CMS-Lösungen ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit, um zukunftssicher aufgestellt zu sein und den wachsenden Herausforderungen der Märkte erfolgreich zu begegnen. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann Unternehmen diesen Schritt gehen.






