Die Bundesregierung hat am 23. Juni 2025 den Referentenentwurf zur Umsetzung der EU‑Richtlinie (EU) 2023/2225 zu Verbraucherkreditverträgen veröffentlicht. Der Entwurf sieht eine Vollharmonisierung nach der Richtlinie (EU) 2023/2225 vor; Anwendung ist unionsweit regelmäßig ab 20.11.2026 vorgesehen. Was danach genau auf Onlineshops und Versandhändler zukommt, schildert ECC-Clubmitglied Rechtsanwalt Rolf Becker aus Alfter.
Gesetzgebungsverfahren folgt
Künftig entscheidet zumindest nach Richtlinie und Gesetzesentwurf die Einordnung als kleines/mittleres Unternehmen (KMU) oder Großunternehmen darüber, welche Pflichten beim Rechnungskauf greifen. Dazwischen kann es im Gesetzgebungsverfahren allerdings noch Änderungen geben. Da die Richtlinie weitgehend vollharmonisiert, sind nationale Abweichungen grundsätzlich ausgeschlossen; Unternehmen müssen daher mit europaweit vereinheitlichten Mindeststandards rechnen und können sich nicht auf mildere oder strengere Sonderwege des deutschen Rechts stützen. Im weiteren Verfahren folgen Ressortabstimmung, Länder- und Verbändeanhörung, Kabinettbeschluss und das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren; die EU‑Richtlinie ist bis 20.11.2025 umzusetzen und die neuen Regeln sind ab 20.11.2026 anzuwenden.
Erleichterungen für KMU
Ein Unternehmen gilt nach EU-Definition als KMU, wenn es:
- weniger als 250 Mitarbeiter,
- UND entweder höchstens 50 Mio. Euro Jahresumsatz oder maximal 43 Mio. Euro Jahresbilanzsumme aufweist.
Beide Bedingungen müssen nach der EU Definition erfüllt sein.
Wichtig für die Praxis:
Teilzeitkräfte und Saisonarbeiter werden anteilig auf die Zahl der Vollzeitstellen umgerechnet. Beispiel: 800 Teilzeitkräfte, die jeweils nur zur Hälfte arbeiten, ergeben rechnerisch 400 Vollzeitäquivalente – überschreitet also die Schwelle, unabhängig vom Umsatz.
Auszubildende zählen nicht mit, Elternzeitkräfte sind ebenfalls ausgenommen.
Nur wer in beiden Kategorien (Mitarbeiter und Umsatz/Bilanzsumme) unter der Schwelle bleibt, ist KMU und profitiert nach bisherigem Stand der Entwürfe von einigen Erleichterungen.
Die KMU‑Einordnung wirkt im Entwurf vor allem auf die Reichweite der Ausnahme für den eigenen, unentgeltlichen Rechnungskauf (50‑Tage‑Regel), während für Nicht‑KMU im Fernabsatz von Diensten der Informationsgesellschaft eine 14‑Tage‑Grenze vorgesehen ist.
Die Folgen für den Rechnungskauf: Was bedeutet das operativ?
Für den klassischen Rechnungskauf, aber auch für „später zahlen“-Modelle („Buy Now, Pay Later“), gilt nach dem Willen des Gesetzgebers künftig grundsätzlich Kreditrecht – das umfangreiche Pflichtenpaket kommt aber nach den bisherigen Entwürfen abgestuft:
Wer als KMU den Rechnungskauf selbst und unentgeltlich gewährt, kann bis zu 50 Tage Zahlungsfrist privilegiert sein; für Nicht‑KMU, die im Fernabsatz Dienste der Informationsgesellschaft erbringen, sieht der Entwurf eine Obergrenze von 14 Tagen vor. Die Ausnahme entfällt aber wieder, wenn ein Dritter den Zahlungsanspruch erwirbt; dann greifen die Vollpflichten des Allgemein‑Verbraucherdarlehensrechts.
Bei Einsatz eines Zahlungsdienstleisters oder Überschreiten der Schwellenwerte greifen aber immer sämtliche Kreditregeln – unabhängig vom Umsatz und unabhängig davon, ob online oder telefonisch bestellt wird und die haben es in sich:
Zu den neuen Pflichten zählen:
- EU-weit vorgeschriebene Informationspflichten (ausführliches Kreditinformationsblatt, Warnhinweise wie „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“)
- Kreditwürdigkeitsprüfung vor Vertragsschluss; Nutzung einschlägiger, genauer Informationen, keine Auswertung sozialer Netzwerke und keine besonderen Kategorien personenbezogener Daten
- Angemessene Nachsicht und Unterstützungsmaßnahmen vor Kündigung/Vollstreckung (z. B. Stundung, Laufzeitverlängerung, Raten), mit gesetzlicher Konkretisierung. Textform für den Darlehensvertrag und bestimmte Erklärungen auf dauerhaftem Datenträger sind vorgesehen; vorangekreuzte Kästchen sind unzulässig
Das alles gilt bei allen Fernabsatzgeschäften, auch und gerade bei telefonischen oder klassischen Distanzhandelsbestellungen.
Folgen für telefonische Bestellungen – worauf Händler jetzt besonders achten müssen
Nicht alle Kunden wollen oder können online bestellen. Gerade Stammkunden und traditionellere Zielgruppen greifen zum Telefon oder sie werden (natürlich mit Einwilligung) angerufen. Die neuen Vorschriften gelten jedoch für alle Vertragsschlüsse, egal ob Online-Checkout, Telefon, Fax oder E-Mail. Für den Händler heißt das:
- Bereits am Telefon sollten die Kernpunkte (Vertragsart, Warnhinweise, Bedingungen für Zahlung und Rücktritt, Hinweis auf Bonitätsprüfung) genannt werden.
- Nach dem Gespräch muss dem Kunden auf einem „dauerhaften Datenträger“ (E-Mail, Fax, Brief) das vollständige Infopaket gesendet werden – inklusive aller Pflichtdokumente wie Kreditinformationsblatt.
- Der Entwurf verlangt Textform; ein Zugang per E‑Mail/PDF als dauerhafter Datenträger ist vorgesehen. Es kann aber sein, dass ein Zugang etwa einer E-Mail mit PDF im Kundenkonto bereits ausreicht.
- Die Bonitätsprüfung ist zwingende Voraussetzung und muss vor Versand und endgültiger Annahme der Bestellung abgeschlossen und dokumentiert sein.
- Eine rein mündliche Erklärung am Telefon ersetzt nie die Pflicht zur nachträglichen, schriftlichen Information.
Händler dürfen den Abschluss des Vertrages, also die rechtliche Bindung beider Seiten, ausdrücklich von einer positiven Bonitätsprüfung abhängig machen. Ein aufschiebend bedingter Vertragsschluss ist zivilrechtlich zulässig; die Lieferung erfolgt erst nach Zugang der Pflichtinformationen in Textform und positiver Kreditwürdigkeitsprüfung. Dabei kommt das Geschäft erst aufschiebend bedingt zustande, wenn a) die Bonität des Kunden bestätigt ist und b) sämtliche Informationspflichten erfüllt wurden. Ein erneutes Telefonat mit dem Kunden ist in der Regel nicht nötig – es reicht, wenn am Telefon bereits die wesentlichen Pflichten angesprochen werden und der Kunde im Anschluss alle nötigen Dokumente und Belehrungen per E-Mail, Fax oder Post erhält. Erst nach positiver Kreditwürdigkeitsprüfung und Zugang der Pflichtinformationen (Bedingungseintritt) gilt der Vertrag als endgültig geschlossen und die Ware darf versendet werden.
Praxisbeispiel:
Ein Kunde ruft an und bestellt wie gewohnt „auf Rechnung“. Die Mitarbeiterin erklärt:
„Sie erhalten die Ware wie gewohnt auf Rechnung. Das ist rechtlich ein befristeter Kreditvertrag. Wir prüfen dazu Ihre Kreditwürdigkeit. Die Einzelheiten bekommen Sie gleich per E-Mail. Der Vertrag kommt erst nach Zugang der Informationen und positiver Kreditwürdigkeitsprüfung zustande.“
Danach erhält der Kunde alle Informationen und Unterlagen per E-Mail oder Brief und kann sein Widerrufsrecht prüfen – erst dann wird geliefert. Wird die Bonitätsprüfung nicht bestanden, kommt ein Vertrag mangels Bedingungseintritt nicht zustande. Der Händler kann dies dem Kunden formlos mitteilen, ohne weitere rechtliche Folgen (außer ggf. Datenschutzpflichten zur Datenlöschung).
Einsatz von Zahlungsdienstleistern und Faktoring
Wird ein externer Zahlungsdienstleister wie beispielsweise Klarna, Paypal, Ratepay eingeschaltet oder die Forderung an Dritte veräußert, entfällt die Ausnahme für den eigenen, unentgeltlichen Rechnungskauf; es gelten die Vollpflichten. Insbesondere entfallen die Ausnahmen für „selbst fakturierte“ KMU vollständig, sobald Teile des Zahlungsprozesses ausgelagert werden. Der Händler muss gemeinsam mit dem Dienstleister dafür sorgen, dass alle Informations- und Prüfpflichten eingehalten werden. Diese werden allerdings in der Praxis zumindest Teile der notwendigen Informationen übernehmen und das Risiko tragen. Da die Ausnahme von den Pflichten explizit daran gekoppelt ist, dass der Unternehmer selbst die unentgeltliche Zahlungsfrist gewährt und „kein Dritter den Zahlungsanspruch gegen den Verbraucher aus dem Vertrag erwirbt“ (§ 506 Abs. 1 S. 3 BGB‑E); wirken Factoring/Abtretung oder externe Kreditgewährung der Ausnahme entgegen.
Natürlich werden auch die Widerrufsbelehrungstexte angepasst. Die Muster und Pflichtangaben im EGBGB werden geändert; die Belehrung muss dem neuen Standard entsprechen.
Fazit
Ab 2026 wird der Rechnungskauf außerhalb der privilegierten Konstellation für Händler mit größerer Personaldecke, externem Zahlungsdienstleister oder bei langen Zahlungszielen rechtlich deutlich anspruchsvoller. Nur Unternehmen, die in der KMU-Definition sauber unter beiden Schwellen bleiben und alles aus einer Hand anbieten, genießen noch Erleichterungen. Alle anderen müssen ihre Prozesse – online wie telefonisch – rechtzeitig auf die neuen, verbindlichen Pflichten umstellen. Fehler im Infoprozess, bei der Bonitätsprüfung oder der Nachsicht bei Zahlungsverzug können Bußgelder und Abmahnungen nach sich ziehen.

ÜBER DEN AUTOR
Rechtsanwalt Rolf Becker war bis Ende 2023 Partner und Mitbegründer der Rechtsanwaltssozietät Wienke & Becker – Köln, die mit Ablauf des Jahres 2023 beendet wurde. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC CLUB kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.
Rechtsanwalt Becker auf LinkedIn.
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