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20. Februar 2025

Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu stehen im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Rufschädigung. Das OLG Dresden (Urteil vom 17.12.2024 – 4 U 744/24, [openJur 2025, 8077]12) hat weitere interessante praktische Vorgaben für den Umgang mit anonymen Bewertungen gemacht: Plattformbetreiber müssen bei berechtigten Zweifeln aktiv werden, dürfen Bewerberidentitäten aber weiter schützen. ECC-Clubmitglied Rechtsanwalt Rolf Becker aus Alfter analysiert, was das Urteil für Arbeitgeber bedeutet – von der Rügepflicht bis zur Beweislastumkehr.

Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten

Die Ausgangslage: Eine anonyme Bewertung mit vernichtenden 1,9 Sternen und der Überschrift "Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten" tauchte 2015 auf Kununu auf. Der angebliche Ex-Angestellte im Bereich Administration/Verwaltung erhob schwere Vorwürfe gegen seinen angeblichen ehemaligen Arbeitgeber L… Logistik. L... Logistik reagierte prompt mit einer Rüge: Die Person sei nie im genannten Bereich beschäftigt gewesen. Das OLG Dresden entschied, dass in solchen Fällen der Portalbetreiber – hier Kununu – in der Pflicht steht, die Echtheit der Bewertung zu überprüfen. Dazu reicht eine substantiierte Beanstandung des Arbeitgebers. Allerdings betonte das Gericht auch, dass die Anonymität des Bewerters grundsätzlich gewahrt bleiben muss, um freie Meinungsäußerung nicht zu unterdrücken (Schutz vor Repressalien).

Die Plattform muss anonymisierte Nachweise (z.B. Arbeitsvertragsfragmente) vorlegen, die ein Beschäftigungsverhältnis plausibel machen.

Im konkreten Fall legte Kununu anonymisierte Nachweise vor, darunter Arbeitsvertragsfragmente und Ausbildungsnachweise aus dem Jahr 2010. Damit erachtete das Gericht die Echtheit der Bewertung als hinreichend belegt und wies die Klage von L... Logistik ab. Dieser Fall verdeutlicht, dass Unternehmen bei der Bekämpfung von Fake-Bewertungen strategisch vorgehen müssen, um ihre Rechte effektiv zu schützen.

Strategien für Unternehmen: So wehren Sie sich rechtssicher gegen Falschbehauptungen

Präzise Rüge

Um sich effektiv gegen unberechtigte Kritik auf Bewertungsportalen zu wehren, müssen Unternehmen eine klare Strategie verfolgen. Der erste Schritt ist eine präzise Rüge. Es reicht nicht aus, pauschal die Echtheit einer Bewertung anzuzweifeln. Stattdessen sollten Unternehmen konkrete Fakten benennen, die gegen die Richtigkeit der Behauptungen sprechen. Beispielsweise könnte argumentiert werden, dass zum genannten Zeitpunkt gar keine IT-Abteilung am betreffenden Standort existierte. Diese Vorgehensweise erfordert u.a. eine gut strukturierte Archivierung von Personaldaten, die es Unternehmen ermöglicht, solche Behauptungen zu widerlegen.

Datenschutzrechtliche Hindernisse überwinden

Hier beginnt der datenschutzrechtliche Drahtseilakt. Einerseits müssen Unternehmen in der Lage sein, auf Personaldaten zuzugreifen, um die Stichhaltigkeit von Bewertungen zu überprüfen. Andererseits dürfen sie diese Daten nicht unbegrenzt speichern, um den Schutz der Privatsphäre ihrer ehemaligen Mitarbeiter zu gewährleisten. Die Lösung liegt in einer Kombination aus steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten und strategischer Anonymisierung. Vollständige Personalakten müssen gemäß den steuerrechtlichen Bestimmungen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Anschließend können die Daten anonymisiert werden, wobei jedoch wesentliche Informationen wie Beschäftigungszeiträume und Abteilungszuordnungen erhalten bleiben sollten. Durch diese Vorgehensweise können Unternehmen auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist noch nachweisen, dass eine Bewertung auf falschen Tatsachen beruht.

Das OLG Dresden hat in seinem Urteil auch die Pflichten der Portalbetreiber betont. Diese müssen nicht nur die Echtheit der Bewertungen überprüfen, sondern auch den Prüfprozess transparent dokumentieren. Kununu beispielsweise legte interne Protokolle vor, die belegten, dass der Bewerter aufgefordert wurde, Nachweise für seine Tätigkeit vorzulegen. Das Gericht wertete dies als ausreichend, um die Echtheit der Bewertung zu bestätigen. Selbst bei erfolgreicher Rüge folgt nicht zwangsläufig eine Löschung, sondern eine Neubewertung der Prüfpflichten. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Unternehmen machtlos sind, wenn sie mit einer Entscheidung des Portalbetreibers nicht einverstanden sind. Sie können weiterhin rechtliche Schritte einleiten, um ihre Rechte durchzusetzen.

Die Fallstricke: Wo Unternehmen scheitern können

Das Urteil des OLG Dresden zeigt auch, wo Unternehmen bei der Bekämpfung von Fake-Bewertungen scheitern können. Ein häufiger Fehler ist beispielsweise, dass Unternehmen "Insiderwissen" des Bewerters pauschal bestreiten, ohne konkrete Gegenbeweise vorzulegen. Auch zeitliche Ungenauigkeiten können Unternehmen zum Verhängnis werden. Wenn ein Bewerter z.B. fälschlicherweise behauptet, bis 2014 in einem Unternehmen beschäftigt gewesen zu sein, das Unternehmen aber keine archivierten Daten zu Vertragsenden aus dem Jahr 2013 hat, kann dies dazu führen, dass die Bewertung als echt angesehen wird. Schließlich können auch prozessuale Fehler dazu führen, dass Unternehmen ihre Rechte nicht durchsetzen können.

Konkrete Gegenbeweise erforderlich

Um sich rechtssicher gegen Fake-Bewertungen zu wehren, müssen Unternehmen strategisch vorgehen. Das bedeutet, dass sie nicht nur Personaldaten strukturiert archivieren, sondern auch präzise auf unberechtigte Kritik reagieren müssen. Statt pauschaler Abstreitungen sind konkrete Gegenbeweise erforderlich, die auf den archivierten Daten basieren. Gleichzeitig sollten Unternehmen das Urteil des OLG Dresden zur Argumentation nutzen und von den Portalbetreibern anonymisierte Nachweise für die Echtheit der Bewertungen fordern.

Fazit

Das Urteil des OLG Dresden gibt Unternehmen mehr Handhabe gegen Fake-Bewertungen. Es zeigt aber auch, dass eine effektive Verteidigung mehr als nur die Einhaltung von Vorschriften erfordert. Es bedarf einer strategischen Denkweise, die sowohl die Rechte des Unternehmens als auch die Persönlichkeitsrechte der (ehemaligen) Mitarbeiter und den Datenschutz berücksichtigt.

Die Auseinandersetzung mit Arbeitgeberbewertungen ist für Unternehmen längst zur Daueraufgabe geworden. Die Rechtsprechung entwickelt sich ständig weiter, und es ist wichtig, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Arbeitgeberbewertungsportale werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Mitarbeitergewinnung spielen. Unternehmen, die sich aktiv mit den Bewertungen auseinandersetzen und eine transparente Kommunikationsstrategie verfolgen, können nicht nur ihren Ruf schützen, sondern auch qualifizierte Fachkräfte gewinnen.

ÜBER DEN AUTOR

Rechtsanwalt Rolf Becker war bis Ende 2023 Partner und Mitbegründer der Rechtsanwaltssozietät Wienke & Becker – Köln, die mit Ablauf des Jahres 2023 beendet wurde. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC-Club kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC Köln regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.

Rechtsanwalt Becker auf X (ehemals Twitter): https://x.com/rolfbecker

PRESSEHINWEISE

Gerne dürfen Sie den Text von Herrn Becker redaktionell weiterverwenden. Bitte geben Sie hierbei die URL zum Rechtstipp sowie folgende Quelle an: RA Rolf Becker / ECC Rechtstipp. Bitte senden Sie ein Belegexemplar bzw. den Link zur Veröffentlichung an presse(at)ifhkoeln.de. Vielen Dank!

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