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Nach der Konsolidierung kommt die Digitalisierung, aber mit völlig neuen Marktmodellen

Automechaniker

@ Adobe Stock

Der sperrige Name „Independent Aftermarket“ beschreibt einen Markt, der im Vergleich zu anderen Märkten gar nicht so riesig ist. Pro Jahr wird hier in Deutschland ein Umsatz von knapp über 30 Milliarden Euro (zu EVP, ohne MwSt., Teile und Lohn) erwirtschaftet. Wie die meisten Handelsstrukturen prägt diesen Markt eine dreistufige Vertriebskette – vom Hersteller an den überregional tätigen Großhandel und von dort an lokale Großhändler oder direkt an die Werkstätten. Aber der Blick in die Zukunft zeigt: Das herkömmliche Vertriebsmodell ist angezählt. Die neu aufgebaute Customer Journey des Werkstattkunden verlangt angepasste Marktmodelle.

Konsolidierung der Branche: Strategische Ziele erfüllt?

Historisch wuchsen über Jahrzehnte kleine Konzerne heran, die in den 1990ern und 2000ern vorwiegend zwei strategische Ziele verfolgten. Zum einen wurden Logistikstrukturen geschaffen und weiterentwickelt, welche im Ergebnis die Service Level der Warenverfügbarkeit maximierten. Dies bedeutet heutzutage konkret, dass ein Produkt in den frühen Abendstunden bestellt wird und dem Werkstattkunden am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang geliefert wird. Möglich machen dies physische und digitale Strukturen im Supply Management.

Überregionale Großhändler beliefern im Nachtsprung täglich Destinationen, die teilweise mehrere hundert Kilometer entfernt sind. Komplexe Systeme berechnen die voraussichtliche Verweildauer von Produkten und helfen dabei, zu entscheiden, ob das Produkt im Zentrallager oder in einem dezentralen Standort lagert. Sogenannte „Fast Mover“ müssen nah beim Kunden sein. Was dezentral länger als ein paar Monate im Regal liegt, wird wieder an einen zentralen Lagerort reallokiert oder gar ausgemustert. Hunderttausend Produkte mit jeweils unterschiedlichen Positionen in ihrem Lebenszyklus werden so täglich systemunterstützt von Experten gemanaged.

Das zweite strategische Ziel, eine Konsolidierung der Branche, ist im Großen und Ganzen fortgeschritten. Die beiden großen Player in Deutschland, Wessels & Müller und Stahlgruber, haben in den vergangenen Jahren einige teilweise signifikante M&A-Transaktionen im Inland und Ausland umgesetzt. Der Großteil des Geschäftes wird noch im Inland erwirtschaftet, Wessels & Müller hat sich mit kleinem Abstand an die deutsche Spitze gesetzt. Aber Stahlgruber wurde selbst Teil der internationalen Marktkonsolidierung. 2018 hat der amerikanische Konzern LKQ Corporation den Geschäftsbereich Independent Aftermarket des Unternehmens übernommen.

Diese Übernahme ist Teil einer Europastrategie des amerikanischen Players, der in kurzer Zeit gleich mit mehreren Transaktionen in Deutschland, Großbritannien, Italien und Mittelosteuropa nun auch der größte Akteur in Europa ist. Die effektive Strategie hinter diesen Übernahmen kann als Skalentransaktion verstanden werden. Aber auch die Möglichkeit, Effizienzen in Unterstützungsprozessen und Logistikstrukturen zu schaffen, ist eine wichtige Säule dieser Übernahmen. Somit sind nicht nur Geduld, sondern auch internationale Management Skills gefragt, was angesichts der traditionsbewussten Unternehmenskulturen noch zusätzlich erschwert wird.

Onlineplattformen für den Independent Aftermarkt

Was ist nun der Ausblick in dieser Branche? Steht eine weitere Konsolidierung an, die auch zu strukturellen Einsparungen führt und Marktverhältnisse ändert? Auf den ersten Blick schon. Und dann sind da auch noch die Mega-Trends autonomes Fahren, Elektromobilität und Carsharing. Wer nun denkt, dass dies die großen Treiber sind und sich so der IAM verändert, ist auf dem Holzweg, denn hier wird der Kunde und sein Verhalten nicht ausreichend gewürdigt. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 2025 und Ihr sechs Jahre alter Mittelklassewagen, den Sie sich 2019 zugelegt haben, fordert Sie auf, die Bremsbeläge wechseln zu lassen. Sie entscheiden sich, das Fahrzeug ab sofort zu einer freien Werkstatt mit guten Bewertungen zu bringen. Ihre Wahrnehmung ist, dass hier guter Service zu guten Preisen erbracht wird. Können Sie sich vorstellen, dass der Prozess abläuft, wie bereits seit Jahrzehnten, also dass Sie die Werkstatt anrufen, dort vorfahren, das Fahrzeug aufgenommen und dann die Reparatur geplant wird? Wir nicht!

Der Prozess wird zunehmend auf einer Onlineplattform losgetreten und ab da geschieht das Meiste interaktiv, von der Auswahl einer Werkstatt, über die Onlineterminvereinbarung bis hin zur Buchung eines Leihwagens. Wir kennen diese Convenience Customer Journey in vielen Geschäftsmodellen. Hierzu Mirco Grübel, ehemaliger CEO bei einem der großen IAM-Player sowie Unternehmer, der aktuell ein ähnliches Modell im Renovierungsmarkt aufbaut: „Ich sehe die Zukunft digital, auch wenn der ‚Kunde aus Fleisch und Blut‘ ist, genauso wie der Handwerker“. Dies ist ein oft gebräuchliches Argument der „Digitalisierungs-Laggards“, also derjenigen, die die Digitalisierung nur als Mode sehen und nicht verstanden haben, dass sie nicht mit Technologie, sondern mit neu aufgebauten Customer Journeys zu tun hat.

Ob Renovierung oder Independent Aftermarket - Eines ist sicher, wenn sich relevante Player nicht zusammenfinden und effektive, starke Marktplätze aufbauen, werden die Akteure diesen Bereich Amazon, Alibaba, Google und anderen überlassen. Und das bedeutet ganz eindeutig einen direkten Einfluss gerade auf die Marktexistenz von Großhandelsunternehmen. Der dreistufige Vertrieb ist stark unter Druck!

„Digitalisierung war nie so langsam wie heute“, ein schlauer Satz, den wir einmal von einem schlauen Menschen hörten.

Sie interessieren sich für neue Geschäftsmodelle für den Independent Aftermarket?

Dann kontaktieren Sie Dr. Ralf Deckers (E-Mail: r.deckers(at)ifhkoeln.de, Tel.: 0221 / 943607-73), Automobilexperte am IFH KÖLN für einen Austausch. Machen wir was d’raus!

 

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